5 Tipps von
Sudabeh Mortezai
Filmemacherin
Sudabeh Mortezai wurde 2019 mit ihrem Film „Joy“ schlagartig berühmt. Der Film zeigt die Lebensrealität nigerianischer Sexarbeiterinnen in Wien und wurde mehrfach ausgezeichnet. Die in Teheran und Wien aufgewachsene Regisseurin hat sich auf Dokumentarfilme über Brennpunkt-Themen spezialisiert und ist Mitbegründerin der Produktionsfirma „FreibeuterFilm“. Der StadtSpionin verrät sie ihre fünf Lieblingsbücher!
Margaret Atwood | „Oryx & Crake“
Sudabeh Mortezai: Ich liebe Margaret Atwood und habe fast alle ihre Bücher gelesen. Sie ist die Meisterin der Dystopien und schafft es auch in diesem Buch eine eigene Welt zu erschaffen, die fremd und zugleich vertraut ist und wie ein Spiegel unserer Realität funktioniert. The Handmaid's Tale ist ihr bekanntestes Buch, womöglich auch wegen der großartigen aktuellen Serie. Aber Oryx & Crake finde ich fast noch spannender. Ein brillant geschriebener SciFi-Thriller mit tollen Charakteren. Das postapokalyptische Setting ist geheimnisvoll und erschließt sich nur allmählich. Die Geschichte bleibt bis zur letzten Seite fesselnd.
Verlagsinfo: Crake und Jimmy sind Freunde, und sie lieben dieselbe Frau: die rätselhafte Oryx. Sie leben in einer von Klimakatastrophen bedrohten Welt in einer gar nicht so fernen Zukunft. Crake, ein Genie genetischer Manipulation, ist Wissenschaftler und arbeitet an der Entwicklung neuer Medikamente, die die Menschen gegen Epidemien immunisieren sollen, aber er verfolgt darüber hinaus seine ganz eigenen Pläne ...
Verlag:
Piper
Sibylle Berg| "GRM Brainfuck"
Sudabeh Mortezai: Wieder ein dystopischer Roman. Wieder ein Spiegel unserer Gegenwart. Und doch ganz anders. Dieses Buch ist einfach eine Wucht. Eine Naturgewalt. Sprachlich messerscharf, bitterböse, düster. Eine Abrechnung mit allem, was es an unserer kapitalistischen Gesellschaft zu beanstanden gibt. Man kann es eigentlich gar nicht beschreiben. Man muss es einfach lesen. Ich konnte es nicht aus der Hand legen und hab es in wenigen Tagen verschlungen.
Verlagsinfo: Sibylle Bergs neuer Roman beginnt in Rochdale, UK, wo der Neoliberalismus besonders gründliche Arbeit geleistet hat. Die Helden: vier Kinder, die nichts anderes kennen als die Realität des gescheiterten Staates. Ihr Essen kommt von privaten Hilfswerken, ihre Eltern haben längst aufgegeben. Die Hoffnung, in die sie sich flüchten, ist Grime, kurz GRM. Grime ist die größte musikalische Revolution seit dem Punk. Grime bringt jeden Tag neue YouTube-Stars hervor, Grime liefert immer neue Role-Models. Als die vier begreifen, dass es zu Hause keine Hoffnung für sie gibt, brechen sie nach London auf. Hier scheint sich das Versprechen der Zukunft eingelöst zu haben. Jeder, der sich einen Registrierungschip einpflanzen lässt, erhält ein wunderbares Grundeinkommen. Die Bevölkerung lebt in einer perfekten Überwachungsdiktatur. Auf der Straße bleibt nur der asoziale, vogelfreie Abschaum zurück. Die vier Kinder aber – die fast keine Kinder mehr sind –, versuchen außerhalb des Systems zu überleben. Sie starten ihre eigene Art der Revolution.
Verlag:
Kiepenheuer & Witsch
Jose Saramago|
"Alle Namen"
Sudabeh Mortezai: Saramago ist ein weiterer Lieblingsautor, dessen Werk ich gut kenne. Er hat diesen sehr eigenen Stil von langen, sich windenden Sätzen, die sich über Seiten ziehen. Es passiert oft seitenlang nichts und doch passiert so viel. Dieses Buch hat eine unscheinbare Prämisse und einen unspektakulären Helden und entwickelt aber einen seltsamen Sog, dem man sich schwer entziehen kann. Es geht, wie immer bei Saramago, um nichts geringeres als die existentiellen Dinge: Leben, Tod, Erinnerung, aber es liest sich spannend wie ein Krimi.
Verlagsinfo: Senhor José ist um die fünfzig und arbeitet im zentralen Personenstandsregister seiner Stadt, das alle relevanten Informationen zu Leben und Tod ihrer Bewohner dokumentiert. Privat sammelt er Zeitungsausschnitte über berühmte Persönlichkeiten, wobei er immer mal wieder auf die Akten seiner Behörde zurückgreift. Eines Tages gerät ihm zufällig die Karteikarte einer unbekannten Frau zwischen die Unterlagen. Neugierig geworden, macht er sich auf die Suche nach weiteren Informationen über die Unbekannte und gerät dabei auf gefährliche Abwege.
Verlag:
Roman Atlantik / Hofmann und Campe
Wolfgang Herrndorf| „Tschick“
Sudabeh Mortezai: Dieses Buch liebe ich wie kein anderes. Es ist ein schöner, leichtfüßiger, witziger, trauriger, rührender Schelmenroman. Eine Abenteuerreise. Ein Roadmovie mit zwei Hauptfiguren, die man sofort liebt. Eines dieser Bücher, wo man am Ende traurig ist, das es zu Ende ist. Wie kann man Tschick noch gar nicht gelesen haben? Sofort nachholen!
Verlagsinfo:
Mutter in der Entzugsklinik, Vater mit Assistentin auf Geschäftsreise: Maik Klingenberg wird die großen Ferien allein am Pool der elterlichen Villa verbringen. Doch dann kreuzt Tschick auf. Tschick, eigentlich Andrej Tschichatschow, kommt aus einem der Asi-Hochhäuser in Hellersdorf, hat es von der Förderschule irgendwie bis aufs Gymnasium geschafft und wirkt doch nicht gerade wie das Musterbeispiel der Integration. Außerdem hat er einen geklauten Wagen zur Hand. Und damit beginnt eine Reise ohne Karte und Kompass durch die sommerglühende deutsche Provinz, unvergesslich wie die Flussfahrt von Tom Sawyer und Huck Finn.
Verlag:
Rowohlt
Yaa Gyasi | „Heimkehren"
Sudabeh Mortezai: Dieses Buch hat mich gepackt und nicht mehr losgelassen. Die junge Autorin aus Ghana bedient sich einer interessanten Erzählstruktur, um die Geschichte des transatlantischen Sklavenhandels über mehrere Generationen zu erzählen. Durch ein Mosaik aus individuellen Einzelschicksalen entsteht eine Generationen und Jahrhunderte übergreifende Familiensaga. Die Geschichten sind hart und gehen unter die Haut. Ich musste es ganz langsam lesen, jeden Tag nur ein Kapitel und die jeweilige Geschichte wirken lassen. Eine bewegende Lektüre.
Verlagsinfo:Obwohl Effia und Esi Schwestern sind, lernen sie sich nie kennen, denn ihre Lebenswege verlaufen von Anfang an getrennt. Im Ghana des 18. Jahrhunderts heiratet Effia einen Engländer, der im Sklavenhandel zu Reichtum und Macht gelangt. Esi dagegen wird als Sklavin nach Amerika verkauft. Während Effias Nachkommen über Jahrhunderte Opfer oder Profiteure des Sklavenhandels werden, kämpfen Esis Kinder und Kindeskinder ums Überleben: auf den Plantagen der Südstaaten, während des Amerikanischen Bürgerkrieges, der Großen Migration, in den Kohleminen Alabamas und dann, im 20. Jahrhundert, in den Jazzclubs und Drogenhäusern Harlems. Hat die vorerst letzte Generation schließlich die Chance, einen Platz in der Gesellschaft zu finden, den sie Heimat nennen kann und wo man nicht als Menschen zweiter Klasse angesehen wird? Mit einer enormen erzählerischen Kraft zeichnet Yaa Gyasi die Wege der Frauen und ihrer Nachkommen über Generationen bis in die Gegenwart hinein. ›Heimkehren‹ ist ein bewegendes Stück Literatur von beeindruckender politischer Aktualität.
Verlag: Dumont
[ zurück zum Start]
BISHER ERSCHIENEN
5 Tipps von Karin Schranz-Klippl
5 Tipps von Sudabeh Mortezai
5 Tipps von Soia
5 Tipps von Cornelia Anhaus
5 Tipps von Silvia Gattin
5 Tipps von Jacqueline Kornmüller
5 Tipps von Ines Hofbaur
5 Tipps von Maria Mayr-Munoz
5 Tipps von Doris Pulker-Rohrhofer
5 Tipps von Julia Nauhaus
5 Tipps von Daniela Emminger
5 Tipps von Birgit Kuras
5 Tipps von Zoe Straub
5 Tipps von Hertha Kratzer
5 Tipps von Martina Ebm
5 Tipps von Paula Bolyos
5 Tipps von Eva Herzig
5 Tipps von Ruth Brauer-Kvam
5 Tipps von Mieze Medusa
5 Tipps von Julya Rabinowich
5 Tipps von Yasmo
4 Tipps von Christiane Wenckheim
5 Tipps von Claudia Unterweger
5 Tipps von Konstanze Breitebner
5 Tipps von Alexandra Metz-Valny
5 Tipps von Agnes Husslein- Arco
5 Tipps von Sonja Hammerschmid
5 Tipps von Stephanie Lang-Kral
5 Tipps von Dr. Dagmar Schratter
5 Tipps von Sandra Frauenberger
5 Tipps von Dr. Gabriele Zuna-Kratky