Irgendwie hab ich mich in Papier verliebt
Prof. Karin Troschke im Interview
Prof. Karin Troschke (70) hat einen der ungewöhnlichsten Arbeitsplätze Wiens. Auf ihrem Tisch liegt die Tapete aus dem Toilettezimmer der Kaiserin Elisabeth, in der obersten Schublade ein Schiele-Aquarell und während des Interviews bringt ein Bote mal eben einen echten Munch vorbei. Die StadtSpionin sprach mit der Restauratorin, die das weltweit renommierte Institut für Papierrestaurierung (IPR) im Schloss Schönbrunn gründete.
Prof. Troschke mit einer Tapete aus dem Toilettezimmer von Kaiserin ElisabethStadtSpionin: Sie haben nicht nur einen der spannendsten, sondern wahrscheinlich auch einen der am höchsten versicherten Arbeitsplätze in Wien. Wie fühlt sich das an?
Prof. Karin Troschke: Es liegen da schon manchmal Werte herum, die unglaublich sind und wir haben eine hohe Versicherung. Aber Sie können ja nicht immer denken: „Uh, dieser Schiele ist jetzt 70.000 € wert.“ Natürlich sind gerade Studenten am Anfang, wenn sie die ersten wirklich kostenbaren Restaurierungsobjekte in Händen haben, furchtbar ängstlich. Ist auch richtig so. Aber an das gewöhnt man sich.
Wie kommt man eigentlich zur Papierrestaurierung? Ich wollte schon immer etwas Künstlerisches machen. Ich habe die Grafische Lehr- und Versuchsanstalt absolviert und dann sogar mal kurz in der Werbung gearbeitet. Bei ADEG, circa ein halbes Jahr. Das war entsetzlich, weil man schon zu Weihnachten Osterhasen gemacht hat. Da dachte ich mir dann: „Nein, das kann ich sicher nicht ein Leben lang machen“.
Und wohin hat Sie Ihre Flucht vor ADEG geführt?
An die Akademie. Ich habe die Ausbildung zur Restauratorin gemacht. Damals gab es noch keine Spezialausbildung für die Papierrestaurierung, die Sparte ist ja sehr jung. Als ich fertig war, habe ich in der Nationalbibliothek volontiert und mit meinen Vorkenntnissen aus der Grafischen habe ich dann diesen Bereich gefunden. Irgendwie hab ich mich in das Papier verliebt.
Lithographie von E. Munch mit StockfleckenUnd wie begann dann die Arbeit als Restauratorin?
Meine allerersten Stücke überhaupt waren Skulpturen. Und dann war ich sieben Jahre im Museum der Stadt Wien tätig und hier war eines der bedeutendsten Stücke, das ich ziemlich am Anfang restauriert habe, der sogenannte Wohlmueth-Plan. Der erste genau vermessene große Plan von Wien, von 1600, ganz genau mit allen Gassen, die jetzt noch genauso heißen wie damals: Wollzeile, Rotenturmstraße und Graben. Das war eine sehr interessante Arbeit!
Aus Papier werden ja unglaublich viele und komplett unterschiedliche Dinge hergestellt. Kümmern Sie sich um alles?
Ja. Und es ist genau diese Verschiedenartigkeit der Aufgaben und Objekte - von der Briefmarke über den Globus, den Wandschirm bis hin zur Tapete - die mich fasziniert. Ich habe im Schloss Schönbrunn zum Beispiel die Mogul-Miniaturen aus dem Millionenzimmer restauriert. Das hat 10 Jahre gedauert! Ebenso bei einem japanischen Paravent aus dem Jahre 1640. Man beschäftigt sich dann sehr intensiv mit der jeweiligen Zeit und Kultur. Man steigt in eine Welt ein, die einen selbst sehr erweitert. Dann gibt es viele Schritte bei der Restaurierung, wo etwas mit Wasser gemacht wird, weil man Flecken oder braune Wasserränder entfernt. Der Augenblick, wenn man ein Objekt ins Wasserbad legt und beobachtet, was passiert - nämlich hoffentlich nix, zumindest nichts Schlechtes (lacht) - das ist schon sehr aufregend! Und das Papier selbst ist insofern spannend, weil es ja so vielschichtig ist, so weich und so zart.
Arbeitsplatz mit japanischen PinselnWie sieht Ihr Arbeitsalltag als Papierrestauratorin eigentlich aus? Was sind da konkrete Aufgaben?
Wir können gerne zu ein paar Objekten gehen. Das zum Beispiel ist die Tapete aus dem Toilettezimmer der Kaiserin Elisabeth im Schloss Schönbrunn, die kommt dann wieder an die Wand. Die Tapete wird abgenommen, dann werden Fehlstehlen ergänzt und retuschiert. (Wir gehen weiter an den Arbeitsplatz von Frau Prof. Troschke).
Und das sind sozusagen die einfacheren Dinge - die Lithographie hier hat lauter Stockflecken, die mit Chlor gebleicht werden. Und das - (sie greift in eine Schublade) - ist jetzt ein Aquarell von Schiele.
Wow, das ist ein echter Schiele?
Meine Arbeit ist ein bisschen wie die eines Chirurgen - der muss auch aufpassen, schließlich arbeitet er am Menschen. Aber, wie gesagt, an das gewöhnt man sich. Der Schiele hier war auf einen ganz dicken Karton aufgezogen, einen sehr holzhaltigen Karton. Das mussten wir herunterlösen. Das Lignin des holzhaltigen Kartons wandert nämlich in das Papier und macht das Papier brüchig. Und schauen Sie: Beim Ablösen hat Prof. Troschke mit einer Papierpressesich dann herausgestellt, dass sich auf der Rückseite noch eine Schiele-Skizze befindet. Das war eine Überraschung!
(Es läutet. Ein Bote kommt und bringt erneut Lithographien).
Ah, das ist jetzt ein Munch! Eine Kreide-Litographie - die hat auch starke Stockflecken und ist ein bisserl verknittert.
Wenn Schiele-Aquarelle Ihr „Tagesgeschäft“ sind - wie sehen dann die großen und spannenden Projekte aus?
Die zwei tollsten Projekte, die wir restauriert haben, waren eben die indischen Mogulminiaturen im Millionenzimmer des Schlosses Schönbrunn. Statt den Original Miniaturen wurden hier Fotografien in die Kartuschen der Wandvertäfelungen eingesetzt. Und im Blauen Salon des Schlosses haben wir die Papiertapeten restauriert.
Ich persönlich habe aber auch sehr viele ganz moderne Sachen gemacht. Ich habe beispielsweise den „Elektrischen Stuhl“ von Andy Warhol restauriert. Das sind wirklich Dinge, die alle sehr schöne Restaurierungen waren.
Ihr Arbeitsplatz ist in Schloss Schönbrunn, aber Sie restaurieren nicht nur für Schönbrunn?
Nein, für das Denkmalamt, für unterschiedliche Museen , das Schloss Eggenberg und viele mehr. Ich habe das Institut für Papierrestaurierung (IPR) im Schloss Schönbrunn 1995 mit 6 ehemaligen Studenten als privates Institut gegründet. Wir haben alle Sondersparten in der Papierrestaurierung hier in unserem Institut. Wir sind eigentlich einzigartig. Die Tätigkeitsbereiche umfassen Buchrestaurierung, Fotorestaurierung und natürlich Grafik, Bücher und so weiter. Dass man alles an einem Institut macht, das ist nur bei uns so. Und natürlich restaurieren wir auch für Private und Händler.
Ich könnte also auch als „Privatmensch“ zu Ihnen kommen und ein Bild von meiner Oma restaurieren lassen?
Ja, sicher. Es kommt schon vor, dass Objekte, die wir restaurieren, vielleicht nicht so wertvoll sind. Aber für die Person, die das gebracht hat, hat es natürlich einen hohen emotionalen Wert. Das Team des Instituts für Papierrestaurierung
Sie arbeiten ja stets an echten Unikaten? Geht da auch mal etwas schief?
Es passieren fast nie „Unfälle“. Restaurieren hat ein bisserl so etwas wie Chirurgie. Man muss die meiste Zeit wirklich äußerst konzentriert an einem Objekt arbeiten. Das Schlimme am Papier aber ist, wenn etwas passiert, ist es passiert. Da ist nichts mehr zu retten.
Und ist man da aufgeregt?
Ja, manchmal. In der Zeit in der ich unterrichtet habe. Ich war ja 10 Jahre Professorin an der Meisterschule für Restaurierung und Konservierung an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Als ich die Studenten bei ihren Diplomarbeiten betreut habe, da gab es schon schlaflose Nächte. Weil man oft unsicher ist bezüglich des nächsten Schrittes. Man hat vielleicht schon eine Vorstellung, wie könnte er gehen, man weiß manchmal nicht ganz sicher, geht er gut. Man macht zwar so genannte Dummies, also man baut Attrappen, Schichten und testet Vorgänge. Aber ein Dummy ist nie das Original.
Was restaurieren Sie denn am liebsten?
Ich mach sehr gerne Tapeten und Paravents - Größeres, das mache ich sehr gerne, weil es eine Herausforderung ist, natürlich auch vom Handling her. Man kann es ja nicht alleine machen.
Gibt es auch einen persönlichen Alptraum in Ihrem Beruf?
Ich muss sagen, meinen persönlichen Albtraum habe ich schon erlebt, bei der Stadt Wien. Da hat es von Rudolf von Alt, einem österreichischer Maler und Aquarellisten, so eine ganz lange Zeichnung von Wien gegeben. Und wir bereiteten gerade alles für eine Ausstellung vor - es war also ziemlich hektisch. Und da lag die Zeichnung, mit einem Löschblatt darauf. Was ich nicht wusste: Die Zeichnung haftete am Löschblatt. Ich benötigte gerade dringend ein Stück Löschblatt, schnitt ein Stück ab - und habe in die Zeichnung hineingeschnitten!
Gott sei Dank konnte ich die Zeichnung aber wieder in Ordnung bringen.
Claudia Heindl
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KONTAKT
Prof. Mag. Karin Troschke
Institut für Papierrestaurierung
Schloss Schönbrunn
Orangerie, Finsterer Gang 71
1130 Wien
Tel: 01/817 86 64-0
www.papier-restaurierung.com
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