Meine Weine sind wie Erinnerungen
Jutta Ambrositsch im Interview
Jutta Ambrositsch (34) vereint scheinbar Gegensätzliches mit einer beneidenswerten Leichtigkeit: Die Winzerin wohnt und arbeitet in der Großstadt und führt gleichzeitig ein Leben dicht an der Natur. Ihre Weinberge liegen im Stadtgebiet – und an ihrem Arbeitsplatz mit Blick auf Wien wachsen Weinreben, Rosmarin und Rosen, bauen Vögel ihr Nest und spazieren Füchse herum. Kein Wunder, dass ihre Weine so hervorragend schmecken! Die StadtSpionin sprach mit der Winzerin, die vor fünf Jahren noch ein gänzlich anderes Leben führte.
Jutta Ambrositsch, erfolgreiche Winzerin in Wien
StadtSpionin: Sie haben den wahrscheinlich schönsten Arbeitsplatz von Wien. Wie sind Sie zu dem gekommen?
Jutta Ambrositsch: Ich war von Beruf Grafikerin in einer großen Werbeagentur und habe einen Ausgleich gebraucht zu diesem ständigen am Computer sitzen. Also bin ich regelmäßig ins Burgenland zu meinen Eltern gefahren und habe im Garten meiner Mutter gearbeitet. Und dann kam die Idee, einen kleinen Weingarten im Süd-Burgenland zu bewirtschaften. Das hat mir sehr gefallen, auch das schnelle Erfolgserlebnis: Bei jedem Handgriff sieht man sofort, ob man was richtig macht.
Kannten Sie sich denn aus mit Weinbau?
Meine Eltern haben eine Forstwirtschaft mit einem kleinen Weinbau-Betrieb, aber das ist quasi spurlos an mir vorüber gegangen. Ich bin in einer Weingegend aufgewachsen und habe bei der Lese geholfen, aber das ist es auch schon.
Sind Sie dann ständig ins Burgenland gependelt?
Ja. Ich hatte meinen kleinen Weingarten am Eisenberg. Der war richtig, richtig toll. Das Produkt Wein ist extrem spannend. Der Wein spiegelt ein ganzes Jahr an Arbeit wieder, das hat mich sehr gereizt an der Sache. Aber seit 2004 gab es parallel dazu in Wien den ersten Weingarten. Als Hobby ging das nicht mehr, also habe ich schweren Herzens den Weingarten im Burgenland aufgegeben und mich auf Wien konzentriert – und den Wein zu meinem Beruf gemacht.
Wie findet man bitte in Wien einen Weingarten?
Also jetzt zur Zeit ist es quasi unmöglich, weil in Wien ein enormer Hype um Weingärten ist. Es gibt wahnsinnig viele Quereinstieger und auch Leute mit Geld, die sich Gärten kaufen. 2004 war es noch einfacher. Ich habe ursprünglich geglaubt, ich könnte über die Stadt Wien einen Weingarten bekommen, aber die haben mir nur einen unbepflanzten Nordhang angeboten. Also habe ich mich an Ferdinand Hengl, den Präsidenten vom Weinbauverein, gewendet. Der war total begeistert, dass da jemand kommt und das machen will.
Weingarten mit WienblickDas funktionierte so einfach?
Am Anfang haben natürlich alle gedacht, da kommt die aus der Werbung, Frau noch dazu, na das wird was werden. Aber dann kam das große Erstaunen ob meiner Ernsthaftigkeit und meinem Willen. Ferdinand Hengl hat mir dann ein Stück von einem eigenen Weingarten gegeben. Wir sind zum Oberen Reisenberg gegangen, er hat mich vor die Rieslingreihen gestellt und hat gefunden: das ist jetzt dein Weingarten. Am nächsten Tag bin ich dann mit Sonnenhut und Schere bewaffnet in den Weingarten gegangen und habe meine grafischen Vorstellungen umgesetzt. Ich dachte, alles muss im rechten Winkel sein, damit das ordentlich ausschaut.
Das war sicher der geordnetste Weingarten von Wien!
(Lacht.) Ja, ich habe immer wieder Winzer in meinem Garten gesehen, die da recht fassungslos gestanden sind. Ich hatte das Vertrauen in die Natur noch nicht. Aber ausgeschaut hat er echt super.
Heute bewirtschaften Sie aber schon fast zwei Hektar.
Ja. Alle anderen Weingärten sind mir angeboten worden. Ich habe Weingärten am Nussberg und in Grinzing. In Grinzing, Sommeregg, sind es zwei alte Gärten mit „gemischtem Satz“. Einer wurde 1955 ausgepflanzt, einer 1960. Laut Gesetz müssen es für den Wiener gemischten Satz nur 2 Weinsorten sein, aber ich habe da 20 verschiedene Sorten.
Und dann kam 2007 auch noch das Angebot, einen kleinen Garten im Rosengartl zu übernehmen. Das war natürlich das Größte überhaupt, das Rosengartl ist die beste Wiener Lage - es hat insgesamt nur 1,7 Hektar und die teilen sich sieben Winzer. Da hat jeder nur ein paar Reihen. Das ist die Grand Cru von Wien, ein fabelhafter Weingarten.
Sommeregg: Der Lieblings-weingarten von Jutta Ambrositsch, mit alter Weingartenwächterhütte Haben Sie denn einen Lieblingsweingarten?
Mein Lieblingsgarten ist Sommeregg. Da steht ein altes Weingartenwächterhäuschen drauf, jederzeit bereit für ein Picknick. Voriges Jahr hab ich mir auch noch einen Liegestuhl geleistet. Im Hochsommer bin ich schon um 4:30 Uhr Früh im Garten, weil ich die Hitze nicht aushalte. Das ist so schön! Wenn ich die Höhenstaße bei Sonnenaufgang hinauffahre, ist Wien total still und im Weingarten sind dann noch die Füchse und die Hasen. Dann arbeite ich von 5:00 bis 11:00 und dann legen ich mich unter den Pfirsichbaum in den Liegestuhl und schlafe ein bisschen. Das ist wirklich super. Der Garten ist sehr geschützt und von oben sieht man ganz Wien. Ich habe da voriges Jahr auch Himbeeren gepflanzt und Rosmarin und alte englische Rosen an jede Rebenreihe.
Das ist ja ein unglaublicher Luxus, in der Stadt und gleichzeitig am Land zu sein!
Seit ich die Weingärten in Wien habe, ist meine Lebensqualität ins Unermessliche gestiegen. Draussen zu sein und einen Ort zu haben, wo man einfach hingehen kann und wo man ein bisschen zuhause ist und wo man etwas schaffen kann, macht großen Spaß.
Wo kann man Ihren Wein denn kaufen?
Meinem Wein gibt es vor allem in der Top-Gastronomie. Der wird über Del Fabro oder über Unger und Klein gehandelt. Dann hat das Schwarze Kameel meinen Wein - und natürlich kann man ihn bei mir kaufen. Und ich mache zwei mal im Jahr Buschenschank – auch um ein Feedback von den Leuten zu bekommen, wie ihnen mein Wein schmeckt.
Buschenschank in Residence: im KamaldulenserhofDer Buschenschank ist ja ein ganz besonderer!
Ja, ein „Buschenschank in Residence“ – im April und im August findet er an 3 Wochenenden im Kamaldulenserhof in Sievering statt. Und zu meinem Wein gibt es ausgesuchte Sachen zum Essen, die nur von befreundeten Produzenten kommen: Käse von Robert Paget, Wildschinken von meinen Eltern, auch die Blutwurst wird extra für mich hergestellt.
Zurück zu den Weingärten. Arbeiten Sie ganz allein?
Die Traktorarbeit und die Bodenarbeit lasse ich machen – und alles, was man händisch machen kann, mache ich selber und allein.
Auch die Weinlese?
Nein, die Lese ist bei mir das Aufwändigste überhaupt. Es wird nur an Sonntagen gelesen, damit alle Freunde mithelfen können. Mir ist wichtig, dass langsam gelesen wird, dass jede Traube in die Hand genommen und alles was schadhaft ist, sorgfältig rausgeschnitten wird. Die Traubenqualität ist dadurch enorm gut. Profi-Leser arbeiten mit so einem enormen Tempo, dass sie gar nicht die Zeit haben, so aufmerksam die Trauben auszuschneiden. Die Freunde haben da einen total anderen Zugang. Natürlich lesen wir auch nur bei Schönwetter, was bei 6 Weingärten dann dauert. Andere Betriebe sind mit der Lese in 6 Tagen fertig, ich brauche 6 Wochen.
Ich habe gehört, Sie kennen jeden Ihrer Weinstöcke persönlich?
(Lacht) Ja, ich verbringe schon sehr viel Zeit im Weingarten. Also voriges Jahr zum Beispiel war beim grünen Veltliner in der 8. Reihe ziemlich weit unten ein Vogelnest. Das habe ich so entzückend gefunden, dass ich den Stock gar nicht bewirtschaftet habe, damit die Vögelchen das überleben.
Sind Ihre Gärten eigentlich bio?
Ich habe zwei Weingärten, die werden biologisch-dynamisch bearbeitet, nach Rudolf Steiner, also nur präventiv gespritzt mit Kamille und Schachtelhalm, und die anderen werden nach Öpol-Richtlinien bewirtschaftet.
Wie alt werden Weinstöcke eigentlich?
Es gibt viele Winzer, die sagen, wenn ein Stock 25 Jahre alt ist, dann trägt er ihnen zu wenig. Dann wird er ausgetauscht gegen einen neuen. Das ist das Alter, wo es für mich erst anfängt, interessant zu werden. Der Stock tickt dann anders, er lebt langsamer und produziert nicht mehr so viel Trauben. Aber er erreicht eine ganz andere Qualität.
Wo keltern Sie Ihren Wein?
Beim Fritz Wieninger in Stammersdorf. Der hat eine enorme Erfahrung und einen super Zugang zum Wein. Er versucht, nur den Aggregatszustand der Trauben zu ändern: von der Traube in den Wein. Da wird nicht mit Hightech oder irgendwelchen Tricks der Geschmack manipuliert. Er macht das richtig schön archaisch. Erstaunlich für so einen riesigen Betrieb. Ich helfe im Weinkeller mit, aber ich bin froh, dass ich auf seine Erfahrung zurückgreifen kann.
Der Weinbau ist ein ziemlich risikoreicher Beruf. Da war Ihr Grafiker-Leben früher sicher ruhiger.
Risikoreich stimmt. Man ist vom Wetter abhängig, Hagel, Kälte, Trockenheit – aber das ist für mich gerade der Reiz der Sache. Beim Arbeiten in und mit der Natur kriegt man seine Grenzen vorgesetzt. Man kann nicht alles bestimmen, man muss sich unterordnen. Seit ich im Weingarten arbeite, hat sich mein Weltbild sehr geändert. Ich erlebe die Natur viel bewusster, aber es ist auch eine große Dankbarkeit eingekehrt. Ich nehme nicht mehr so selbstverständlich hin, dass es die Dinge einfach gibt. Wenn man sich wieder einmal über Regen freut und über die Sonne, dann wird vieles sehr belanglos daneben. Man bekommt ein ganz andere Perspektive.
Sie arbeiten mit sehr viel Aufwand und erzeugen sehr individuelle, extravagante Weine. Wie würden Sie sie selbst beschreiben?
Meine Weine sind das Ergebnis des ganzen Jahres. Und so schmecken sie auch jedes Jahr anders. Wenn der Wein in einem Jahr beschließt, er hat einen Restzucker und ist picksüß – ja dann ist er halt so. Da muss sich der Konsument darauf einlassen. Macht die Sache schwieriger, aber interessanter.
Bei Ihren Weinen geht es also darum, das Jahr einzufangen?
Ja genau: so wie die Arbeit war, das Wetter war, wie jeder Schritt war. Die Weine sollen ganz authentisch sein. Und wenn man den Wein trinkt, soll man im Idealfall eine Vorstellung vom Weingarten haben und das Jahr schmecken. Eigentlich sind meine Weine wie Erinnerungen.
Sabine Maier
KONTAKT
Weinbau Jutta Ambrositsch
Dannebergplatz 12/2.
1030 Wien
0664/ 500 60 95
www.jutta-ambrositsch.at
Buschenschank in Residence:
Kamaldulenserhof, Sieveringer Str. 170, 1190 Wien
7. - 9., 14. - 16., 21. - 23. August 2009
Fr + Sa 16:00 bis 23:00, So 14:00 bis 23:00 Uhr
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