Wien riecht nach Wirtshaus
Nathalie Pernstich-Amend im Interview
Nathalie Pernstich-Amend (41) ist Kochbuchautorin und führt die beiden Genussbuchhandlungen „Babette’s Spice and Books for Cooks.“ Vor zehn Jahren brachte sie damit ein neues Konzept nach Wien: Restaurant, Kochschule, Buch- und Gewürzhandlung in einem. Mehr als 150 Gewürze werden bei „Babette’s“ in sorgfältiger Handarbeit selbst gemischt. Mit der StadtSpionin sprach sie darüber, wie Wien riecht und was Zimt mit Psychologie zu tun hat.
StadtSpionin: Welches Gewürz passt für alle Lebenslagen?
Nathalie Pernstich-Amend: Pfeffer! Den würd’ ich mit auf die Insel nehmen. Den braucht man immer, weil er so vielseitig einsetzbar ist.
Angesichts der unzähligen Gewürze, mit denen Sie täglich zu tun haben, nicht gerade ein exotische Auswahl.
Meine Mutter hat viel mit exotischen Gewürzen gekocht, weil wir viele Jahre im Ausland – in Indonesien, Indien und Brasilien – gewohnt haben. Deshalb hab’ ich erst dann, als wir wieder nach Europa kamen, gelernt mit Rosmarin zu kochen. Das war für mich das eigentlich Exotische (lacht).
Bei "Babette’s" geht’s international zu: Sie mischen selbst über 150 Gewürze aus der ganzen Welt zusammen. Ist das ein Weg, Fernweh in Schach zu halten?
Ja natürlich (lacht)! Man assoziiert sehr viele Mythen mit Gewürzen. Wir arbeiten zum Beispiel redlich daran, dass die Assoziation von Zimt und Weihnachten gebrochen wird. Es ist zutiefst psychologisch! Man wächst damit auf, dass es zu Weihnachten so riecht. Das war nicht immer so, früher wurden generell viel mehr Gewürze verwendet. Sehr, sehr orientalisch hat man früher in Europa gekocht.
Ist ein Rest von dieser Exotik noch immer in der heimischen Küche erkennbar?
Ja, zum Beispiel beim Gulasch, da wird schon vielseitig gewürzt. Gulasch ist ja auch über Indien gekommen. Die Art und Weise ist genau so, wie man ein Curry kocht.
Ferne Länder faszinieren Sie. Als Vielgereiste sind Sie in Wien sesshaft geworden. Warum gerade Wien?
Damals war ich in London und das war mein Silvesterentschluss, dass ich nach Wien ziehe. So wie alle maßgeblichen Entscheidungen in meinem Leben war auch das eine spontane Entscheidung. Ich bin dann auch gleich sechs Wochen später umgezogen.
Ganz schön mutig, die Zelte auf komplettem Neuland aufzuschlagen...
Ich hab Wien von drei Sommern gekannt, wo ich hier Ferialpraxis gemacht habe. Und im Sommer ist Wien noch viel toller als im Winter! Aber ich find’ Wien prinzipiell eine Luxusstadt: s
Herrin der Gewürze: Über 150 Gewürze werden bei "Babette's"
in Handarbeit gemischt.chon allein wegen des Trinkwassers aus der Leitung. Und weil es überschaubar ist und viel bietet für die Freizeit. Und man kann hier wirklich extrem gut essen. Die Haubenküche ist verglichen mit anderen Hauptstädten günstig.
Aber etwas scheinen Sie an der Wiener Kulinarik vermisst zu haben. Und haben es dann mit „Babette’s“ selbst eröffnet. Wie waren die Reaktionen auf dieses ungewöhnliche Konzept?
Die ersten zwei Jahre waren wir hauptsächlich damit beschäftigt, die Frage zu beantworten: Was ist das hier? Die Leute sind nicht rein gekommen und haben sofort verstanden, worum es da geht. Im Prinzip hat der Raum an sich die Leute angezogen und viele waren begeistert bevor sie wussten, was das genau ist.
Tania Blixens Buch „Babette’s Fest“ gab der Genussbuchhandlung Ihren Namen.
Ja. Irgendwann hat mir eine Freundin einen kleinen Abschnitt von diesem Buch auf eine Karte geschrieben. Da hab ich überlegt: Wenn ich ein Lokal hätte, dann würd’ ich es „Babette’s Fest“ nennen. Damals war noch die Überlegung, den ganzen Buchtitel zu nehmen, aber das wurde dann urheberrechtlich nicht erlaubt.
Auch in „Babette’s Fest“ herrscht heimeliges Koch-Flair. Hat Sie diese Romantik angezogen?
Ja, schon sehr! Ich finde eine Küche und Bücher schaffen immer so eine Wohlfühlatmosphäre. Bücherwände haben Wohnzimmercharakter. Und eine Küche, die offen ist und jemand steht am Herd – das hat etwas sehr Heimeliges.
Ein schönes Bild...
...ja und da ist vor allem der Raum sehr wichtig. Dieses Konzept kann man nicht in jeden beliebigen Raum stecken. Es muss der Raum an sich etwas von dieser Atmosphäre haben. Ich vertau’ da immer meiner subjektiven Empfindung. Wenn ich überzeugt bin, dass mein Konzept an einem Ort funktionieren kann, dann schau’ ich, dass es funktionieren wird. Und irgendwie haut das ganz gut hin (lacht).
Sie lieben Bücher und Kulinarik. Was hat Literatur mit Essen zu tun?
Es sind beides sehr sinnliche Dinge. Speziell Bücher sind für mich etwas zum Angreifen, nicht nur zum Lesen. Sie eröffnen ganze Welten. Und auch beim Kochen kann man sich sehr gut ausleben, kreativ entfalten, die Sinne spielen lassen und die Phantasie.
Zwei Leidenschaften seit Kindheitstagen?
Ja, ich hab schon als Kind immer gern gelesen und auch immer gern in Kochbüchern gelesen. Und sc
Das Stammhaus in der Schleifmühlgassehon früh selbst gebacken. Gekocht hab ich dann erst in dem Moment, als ich mich selber versorgen musste. Aber dann hab ich meistens die ganze WG bekocht!
Zehn Jahre gibt’s das "Babette’s" nun schon. In dieser Zeit hat sich der Buchmarkt stark verändert. Muss man da das Konzept umstellen?
Was wir gemacht haben: Wir haben unser Gewürzsortiment deutlich ausgebaut. Das funktioniert super als Zusatzangebot parallel zu den Büchern. Aber wir passen sehr darauf auf, dass wir uns nicht in andere Richtungen verlaufen - wie Accessoires zum Beispiel. Wenn wir anfangen in diese Richtung zu gehen, dann wird das eine Gemischtwarenhandlung.
Trotzdem kann man Rezepte mittlerweile per Mausklick bequem aus dem Internet holen. Warum sollte man noch Kochbücher kaufen?
Für jemanden, der das Sinnliche am Kochen und an einem Buch gerne mag, der wird nur mit Online-Rezepten einfach nicht zufrieden sein. Man kann zwar schon den Laptop am Abend mit ins Bett nehmen und surfen, aber es ist einfach anders, ein Buch in Händen zu halten. Bücher werden nicht untergehen. Es werden laufend neue Kochbücher aufgelegt. Das ist ein Zeichen, dass das Interesse am Kochen noch weiter ansteigt.
Ja, kochen boomt ja richtig im Moment...
Das ist eigentlich schon so, seit wir aufgesperrt haben. Diesen Trend gibt’s schon wirklich lang. Aber er reißt einfach nicht ab.
Das Bewusstsein für Lebensmittel steigt. Mit ein Grund, warum viele lieber selbst kochen?
Ja, das ist schon
Die Filiale im ersten Bezirk: Hier hat sich Pernstich noch stärker auf das Gewürzsortiment spezialisiert. sehr anders als vor zehn Jahren. Man ist manchmal überfordert, welchem Trend man jetzt folgen soll: bio, regional, nachhaltig – man bringt nicht immer alles unter einen Hut. Es ist schon so, dass man mit irgendwelchen exotischen Fischen keine Punktlandung mehr macht. Garnelen werden mittlerweile verweigert.
Aha...
Das hängt mit der Bewusstseinsschaffung in den Medien zusammen, wie manche Lebensmittel und konkret Tiere gezüchtet werden und wo das herkommt - und die ganze Geschichte mit dem Fußabdruck ist natürlich auch ein Faktor. Es ist schwierig, sich eine ganz deutliche Meinung zu bilden, wenn man nicht sehr genau recherchiert. Man soll bio kaufen? Was hab’ ich davon, wenn ich jetzt meine Bio-Bohnen aus Kenia kauf’, wenn der Nachbar in Wien super Bohnen anbaut, nur sind die dann halt nicht bio? Aber wofür entscheidet man sich dann? Regional und nachhaltig oder für bio? Das ist ein bissl schwierig.
Wie lösen Sie diesen Konflikt in der eigenen Küche?
Mit Hausverstand. Was ich wirklich nicht mag, sind die Erdbeeren im Januar. Ich ess’ frische Tomaten nur im Sommer. Wir schauen schon, dass wir im Restaurant bei den ganzen Gemüsesachen sehr saisonal arbeiten. Aber ab und zu muss man halt eine Avocado kaufen.
Die Januar-Tomaten und März-Erdbeeren sind bekanntlich keine Geschmacks-Explosionen.
Das ist einfach nicht gut, ja. Aber manchmal, wenn am Naschmarkt eine Mango liegt und die ist grad supertop, dann kauf ich mir die. Man darf bei all dem Bewusstsein den Spaß an der Sache nicht vergessen.
Sie schreiben auch selbst Kochbücher. Ihre Leidenschaft für Pfeffer haben Sie gemeinsam mit Ihre
Autorin Pernstich: Vergangenen Herbst publizierte sie gemeinsam mit ihrem Vater ihr drittes Kochbuch.m Vater zwischen zwei Buchdeckel gepackt. Hat er Ihnen das Kochtalent in die Wiege gelegt?
Nein, mein Vater hat erst angefangen zu kochen, als meine Mutter gestorben ist. Er kocht ganz anders als ich, er ist der Ingenieur in der Küche. Wenn da steht: Zwei Gramm Pfeffer, dann kommt die Kokswaage ins Spiel. Und ich improvisier’ lieber ein bisschen.
Ziemlich viele Jobs, die Sie da unter einen Hut bringen. Wo bleibt der private Ausgleich?
Also ich koch privat total gerne – auch für mich allein, wenn mein Mann nicht daheim ist. Kochen hat für mich überhaupt keine Arbeitsapekt. Aber ich arbeite daran, einen guten Ausgleich zu finden. Es stimmt, dass ich den Großteil der letzten zehn Jahre gearbeitet habe. Und wir lassen uns immer wieder neue Dinge einfallen. Kaum wird zeitlich ein Loch frei, fällt uns wieder irgendwas ein, das wir neu machen könnten.
Was würden Sie denn gerne machen, wenn da nicht immer die Arbeit wär?
Ja, das weiß ich auch nicht mehr so genau.
Schon zu lange her?
Ja (lacht)! Hm ich würd’ halt zum Beispiel gern mehr reisen und mich mehr mit den Produzenten von den Gewürzen treffen. Oder ich hätt’ gern einen Vierkanter am Land mit ein paar Gästezimmern. Aber im Moment haben wir noch genug zu tun hier!
Letzte Frage: Wie riecht Wien?
Es gibt einen Wiengeruch, das ist so ein Geruch, den ich nicht so mag. Das ist dieser Wirtshausgeruch, dieser „altes Bratfett“-Wirtshausgeruch. So wie man halt riecht, wenn man eine halbe Stunde in einem Wirtshaus war.
Barbara Moser
(November 2012)
KONTAKT
Babette's Spice and Books For Cooks
Schleifmühlgasse 17
1040 Wien
und
Am Hof 13
1010 Wien
Mo - Fr 11:00 bis 19:00 Uhr, Sa 10:00 bis 17:00 Uhr.
www.babettes.at
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