Unsere Mission ist ein klimaneutraler Hafen
Doris Pulker-Rohrhofer im Interview
Wie wird Wien eigentlich mit Waren versorgt? Zu einem guten Teil durch den Wiener Hafen. Rund fünf Millionen Tonnen Waren werden hier pro Jahr umgeschlagen, der Hafen ist eine der wichtigsten Güter-Drehscheiben in der Ostregion Europas – und er wird von einer Frau geleitet. Doris Pulker-Rohrhofer (54) ist die technische Geschäftsführerin des „Hafen Wien“. Die StadtSpionin sprach mit der geborenen Waldviertlerin über Klimaschutz, Matrosenkneipen und Lagerhallen voller Klopapier.
Portrait Doris Pulker-RohrhoferStadtSpionin:
Wien hat einen riesigen Hafen, den keiner so richtig kennt. Warum hat denn eine Binnenstadt so einen großen Hafen?
Doris Pulker-Rohrhofer: Weil Wien an der Donau liegt. Der Hafen ist ja ein Güterverteilerzentrum und hat die Aufgabe, die Bevölkerung mit Gütern und Waren zu versorgen. Zu unserem Hafen kommen nicht nur Schiffe, sondern auch Züge, welche die ganzen Container von den Hochseehäfen zu uns bringen. Diese Container sind mit allen Konsumgütern beladen, die in Wien und im Wiener Umland gebraucht werden. Es ist gut für die Stadt, hier ein Güterverteilerzentrum zu haben, sonst müssten alle Waren extra mit LKWs angeliefert werden. Das trimodale System ist auch aus Klimaschutzgründen sehr wichtig für die Stadt. Trimodalität bedeutet, dass Güter auf Wasser-Schienen-Straße transportiert werden. Dadurch haben wir mehr als 40% weniger CO2-Emissionen und weniger Energieverbrauch, als wenn alles mit dem LKW kommen würde. Also alleine das ist eine Riesennutzen – ein Riesenvorteil.
Wie groß kann man sich den Hafen denn vorstellen?
Der Hafen ist 3 Millionen Quadratmeter groß. Das ist in etwa so groß wie die Wiener Innenstadt oder der Central Park in New York. Und wir haben ja in Wahrheit drei Häfen, den Hafen Freudenau – da sind wir jetzt gerade. Dann haben wir den Hafen Albern und dann noch den Hafen Lobau. Das sind die drei Hafenbecken.
Und da werden überall verschiedene Güter hin transportiert?
Genau. Hier in der Freudenau ist sozusagen unsere Zentrale. Hier haben wir auch das Container-Terminal, wo die Container-Züge ankommen. Wir verarbeiten hier fast 500.000 Container im Jahr, die auf Züge oder LKWs umgeladen werden. Zudem haben wir hier noch riesige Lagerhäuser. Es gibt 270.000 Quadratmeter Lagerfläche, wo wir Güter aller Art lagern. Zum Beispiel für die Coronazeit klassisch: Klopapier. Da war das Lager bis oben hin voll. Am Anfang der Pandemie hatten wir auch interessanterweise viel Tiefkühlfleisch, Tomatensauce und natürlich auch Desinfektionsmittel. Es gibt noch jetzt eine ganze Lagerhalle voll mit Desinfektionsmittel! Auf der anderen Seite blieb zum Beispiel die Braugerste aus. Normalerweise kommen drei Schiffe im Monat mit vorrangig französischer Braugerste. Die sind damals einfach nicht gekommen, weil die Gastro keine Gerste brauchte. Und auch in unserem Autoterminal hat sich die Krise bemerkbar gemacht. Ein Fünftel aller in Ostösterreich zugelassenen PKWs werden über den Hafen Wien verteilt. Zu Beginn der Pandemie wurden einfach keine Autos geliefert.
Hafen WienHat sich das denn wieder normalisiert?
Ja, beinahe. Das Auto noch nicht. Das wird noch das ganze Jahr lang dauern.
Und Sie würden sagen, dass der Transport mit Schiffen klimafreundlicher ist als der Transport mit LKWs?
Absolut! Das Schiff gewinnt in allen Kategorien. Wir können uns ansehen, wie viel CO2-Ausstoß ein Schiff im Vergleich zu einem LKW hat. Beim LKW haben wir 92 Gramm CO2-Equivalente pro Tonnen-Kilometer. Tonnen-Kilometer heißt, eine Tonne wird einen Kilometer transportiert. Ein Dieselzug hat 28 Gramm und ein Binnenschiff hat 10 Gramm. Das ist also eindeutig.
Und würden Sie auch sagen, dass der Transport mit dem Schiff generell klimafreundlich ist?
Ja! Ein eindeutiges Ja! Ich spreche hier natürlich insbesondere vom Binnenschiff, das Hochseeschiff habe ich mal ausgeklammert. Natürlich kennt man die Thematik, dass Hochseeschiffe viel Schweröl verwenden und dass sie viele Emissionen haben. Und natürlich muss man in die Antriebstechnologie investieren und vom Schweröl wegkommen. Das ist keine Frage. Das ist auf jeden Fall ein Thema, aber man muss das immer im Zusammenhang mit der Menge an Gütern sehen, die befördert werden.
Gibt‘s denn schon irgendwelche Erfindungen, die schnell oder in nächster Zeit umsetzbar wären?
Es ist so, dass Binnenschiffe mit Euro-6-Diesel-Motoren fahren, also so wie LKWs – und es gibt hier schon Projekte, in denen man daran arbeitet, die Schiffsantriebe elektrisch zu gestalten oder mit Wasserstoff oder mit Ammoniak laufen zu lassen. Es wird auf EU-Ebene gefördert und unterstützt, dass man hier zukünftig bessere Systeme findet. Es gibt auch die Vorgabe der EU-Kommissionspräsidentin, die für Verkehr zuständig ist, dass man den Transport auf dem Binnenschiff um 50% steigert, um eben Klimaziele zu erreichen.
Sie haben ein Glas Honig am Schreibtisch stehen. Ich nehme an, der Hafen Wien hat seine eigenen Bienenstöcke?
Ja, die Bienenstöcke sind natürlich unser Wohlfühlthema. Und der Honig ist auch superlecker! Aber wir machen generell ganz viel zum Thema Klimaschutz. Der Klimaschutz ist ja auch ein bisschen in der DNA eines Hafens verankert, eben durch die Trimodalität. Da wird generell viel an CO2 gespart. Aber das ist nicht alles: Wir haben eine CO2-Bilanz von der Österreichischen Energieagentur erstellen lassen, um zu erfahren, wo wir stehen und wo wir ansetzen müssen, um in Richtung Klimaneutralität arbeiten zu können. Das ist auch unsere Mission – ein klimaneutraler Hafen!
Honig Hafen WienUnd was machen Sie da konkret?
Was wir ganz konkret gemacht haben, ist zum Beispiel, dass wir unseren Container-Terminal mit Energie, die zu 100% aus der Wasserkraft kommt, betreiben. Der Container-Terminal ist das, wo die Züge von den Hochseehäfen ankommen und wo die Container mit den Verbrauchskonsumgütern drinnen stehen. Dann haben wir mittlerweile drei Photovoltaikanlagen auf unseren Gebäuden, mit denen wir jetzt schon bis zu 25% unserer Energie aus Solarenergie abdecken. Wir haben außerdem zu 100% Ökostrom. Wir arbeiten daran, dass wir unsere Heizölkesselanlagen, wenn sie erneuert werden müssen, in Luftpumpen umbauen, die dann wieder von der Photovoltaikanlage gespeist werden. Das sind wesentliche Schritte zum Thema Heizung und Wärme. Wir wissen, dass wir hier einen Anteil an CO2-Emissionen haben, die wir neutralisieren können.
Spannend! Und in Sachen Mobilität? Das macht ja den Hafen eigentlich aus?
Richtig! Wir stellen zum Beispiel unsere gesamte Flotte Schritt für Schritt auf umweltfreundliche Antriebe um. Und es läuft bei uns gerade ein Projekt zum Thema MitarbeiterInnenmobilität. Unsere MitarbeiterInnen sind ja öffentlich nicht ganz so gut angebunden, wie mitten in der Stadt, wo man überall locker mit der Straßenbahn hinkommt. Also haben wir uns dazu entschlossen, Dienstfahrräder anzubieten – wir bieten Elektrofahrräder zum Leasen an. Zusätzlich haben wir auch noch ein Logistic Lab, das wir seit mittlerweile 5 Jahren mit der Boku gemeinsam betreiben. Unser Ziel ist, güterlogistische Innovationen zu entwickeln, zu testen und umzusetzen. Alle MitarbeiterInnen, die dort arbeiten, tun nichts anderes, als sich damit zu beschäftigen.
Ich muss einfach fragen: Gibt‘s im Hafen denn auch eine Matrosenkneipe?
(Lacht) Also Matrosen gibt es schon noch an Bord unserer Binnenschiffe. Der Freudenauer Hafen hat auch einen Würstelstand, das Donauweibchen. Und im Hafen Albern gibt es einen Würstelstand namens Hafenkneipe.
HafenkneipeSehr lustig! Ich würde gerne mehr über Ihren Lebensweg erfahren. Sie kommen ja aus einer ArbeiterInnenfamilie? War es für Sie eine große Herausforderung so weit zu gehen, was Karriere betrifft?
Also eine Herausforderung war es auf jeden Fall finanziell. Es war nicht einfach, in Wien zu sein, hier zu wohnen und sich essen leisten zu können. Ansonsten muss ich sagen, war es nicht schwierig. Mir ist erst viel später bewusst geworden, wo ich eigentlich herkomme und da war ich bereits in einer gewissen Position. Als ich meinen Weg mit dem von anderen verglichen habe, ist es schon klar gewesen, dass ich einen viel längeren hinter mir hatte. Wenn man von Haus aus gelernt hat, wie man sich in gewissen Situationen präsentiert und wie man auftritt oder auch gewisse Kontakte hat, geht das viel schneller. Das hatte ich nicht und darum hat es auch länger gedauert, so weit zu kommen.
Was war denn ihr größter Erfolg?
Mein größter Erfolg ist es, dass ich diesen langen Weg gegangen bin und dort bin, wo ich heute bin.
Sie sind im Waldviertel geboren. Was hat Sie denn überhaupt nach Wien gezogen?
Das war der Wunsch, zu studieren. Ich habe die HAK-Matura in Krems gemacht und dann wollte ich studieren und da ist halt Wien naheliegend. Wie viele bin ich hier hängengeblieben.
Würden Sie sich selbst als Wienerin bezeichnen?
Das ist eine spannende Frage! Mittlerweile bezeichne ich mich schon selbst als Wienerin. Das hat aber gedauert und ich muss sagen, dass ich als Studentin schon noch jedes Wochenende fix ins Waldviertel gefahren bin. Da war ich noch eine Wochenpendlerin. Aber dann ist Wien immer mehr zu meinem Lebensmittelpunkt geworden und ab dem Zeitpunkt als ich zu arbeiten begonnen habe, habe ich mich dann auch als richtige Wienerin gesehen.
Was schätzen Sie besonders an der Stadt?
Ich finde, Wien ist generell eine sehr lebenswerte Stadt und ich lebe schon gern hier. Ich mag es sehr gerne, dass es so viel Grün in Wien gibt. Auch die Gastronomie und die Kultur sind großartig. Außerdem bin ich eine absolute Öffi-Liebhaberin, weil die Anbindungen einfach super sind. Wenn ich nicht im Hafen Wien arbeiten würde, hätte ich sicher kein Auto.
Doris Pulker-RohrhoferWas sind denn Ihre Lieblingsplätze? Wo sind Sie besonders gerne?
Ich wohne im 4. Bezirk und bin gerne in diesem Grätzel unterwegs. Ich liebe es, vom 4. Bezirk in den 1. Bezirk zu gehen. Der Weg in die Stadt rein, gefällt mir besonders gut. Auch auf der Argentinierstraße und der Favoritenstraße bin ich gerne. Das ist schon sehr fein. Und ich gehe auch sehr gerne zum Viktor-Adler-Markt. Also raus in den 10. Wien hat sich in den letzten 30 Jahren sehr gemausert.
Ich würde gerne noch einmal zurück zum Thema Klima kommen. Was wünschen Sie sich in den nächsten Jahren zum Thema Klimaschutz?
Ich wünsche mir wirklich, dass der Ernst der Lage erkannt wird und dass wir es schaffen, einen gesellschaftlichen Konsens zu finden. Und das gepaart mit dem Mut, etwas zu ändern.
Und glauben Sie, das wird passieren?
Ja. Ich bin eine unverbesserliche Optimistin und wir haben keine andere Chance und wir müssen das machen.
(Nora Blöchl)
KONTAKT
Dir. Mag.a Doris Pulker-Rohrhofer
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