Stadtgespräch


Mein Spielraum sind 2.860 Kilometer

Stefanie Oberlechner im Interview

Bei der DDSG (Donaudampfschifffahrtsgesellschaft) darf sie sich als einzige „Frau Kapitän“ nennen: die 22-jährige Stefanie Oberlechner. Das Steuer des Twin City Liner – Porsche unter den Schiffen - hat die junge Tirolerin fest im Griff. Mit der StadtSpionin sprach sie über Hürden in einer Männerdomäne und Stadt-Perspektiven auf See.

oberlechnerStadtSpionin: War Schifferlversenken schon immer mehr Ihr Ding als Mädchenkram?
Stefanie Oberlechner: Ich bin nur mit Jungs aufgewachsen, habe einen Zwillingsbruder, zwei Cousins und im Freundeskreis waren auch fast nur Jungs. Somit war ich quasi dazu gezwungen. Es war aber sicher kein Nachteil, dass ich mit Männern aufgewachsen bin. Dadurch habe ich gelernt, mich durchzusetzen.
Abseits vom fiktiven Schifferlversenken: Wo war Ihre erste Bootstour?
Ich bin mal im Urlaub in Italien ein bisschen herumgefahren. Aber damals war die Schifffahrt noch kein Thema für mich.
Dann kam dieser Beruf ganz überraschend über Sie?
Stimmt, das war eigentlich Zufall. Die Idee entstand eigentlich erst 2003, ich wollte einfach etwas Außergewöhnliches machen und dann sind am Achensee ständig die Schifferl vorbeigefahren und ich hab mir gedacht: Das ist es, das muss es sein. Ich denke, das ist außergewöhnlich genug.

Aber jetzt sind Sie wunschlos glücklich mit dem Schiffssteuer in der Hand?
Auf alle Fälle! Ich möchte nichts anderes mehr machen. Man ist jeden Tag an der frischen Luft, jeder Tag ist irgendwie anders. Man trifft Leute aus der ganzen Welt. Dadurch erfährt man auch einiges. Wie soll ich sagen: Man bekommt vieles über Land und Leute mit –  und was so auf der ganzen Welt passiert.
Gibt's eine persönliche Lieblingsstrecke?
Die Strecke ist mir eigentlich egal. Hauptsache Schiff! Natürlich ist die Wachau landschaftlich eine extrem schöne Strecke, vor allem im Frühjahr zur Marillenblüte und im Herbst, wenn sich die ganzen Weinberge verfärben. Das ist schon wirklich sehr schön.
Und eine Wunschstrecke?
Vielleicht bis zum Schwarzen Meer runter, das wäre schon sehr interessant. 
Wie läuft so eine Ausbildung vom Schiffslaien bis zum erledigten Wasserstraßenpatent ab?
Wenn man mit 15 die Lehre anfängt, dann dauert es 3 Jahre und dann mindestens noch mal 2 Jahre, bis  StadtSpionin Wien
Alles fest im Griff: Oberlechner an ihrem Arbeitsplatz.
man sich raufgearbeitet hat und die ganze Fahrzeit beinander hat. Mit dem vollendeten 21. Lebensjahr darf man dann zur Prüfung antreten. Man beginnt eigentlich als Schiffsjunge/Schiffsmädchen. Wenn man dann mit der Lehre fertig wird, ist man gleich Matrose, danach wird man dann Zahlmeister und Steuermann, das ist eine Doppelfunktion. Man beginnt mit der Kundenbetreuung und geht seine Runden am Schiff und schaut, ob jemand Fragen hat, beantwortet sie dann und kümmert sich um das Technische. Und zum Schluss wird man dann zum Kapitän raufgeholt und bekommt seine "Fahrstunden".
Österreich ist ja als Binnenland nicht rasend bekannt für seine Schiffsfahrt. Wär’s da nicht spannender irgendwo durch einen Ozean zu segeln?
Ich wollte vorerst eigentlich in Österreich bleiben, damit mir der Einstieg vom See zur Wasserstraße etwas leichter fällt. Da passt’s dann vom Sprachlichen her besser als bei einer Reederei in der Schweiz oder in Deutschland. Dort gibt es hauptsächlich bulgarisches und rumänisches Personal und wenn ich dann frisch vom See zur Wasserstraße komme, habe ich mir gedacht: Besser zuerst einmal das alles intus haben und dann erst woanders hingehen.
Also steckt hinter dieser Berufswahl vielleicht doch ein bisschen Fernweh?
Das wäre wieder eine komplett andere Ausbildung. Die Binnenschifffahrt beschränkt sich nur auf die Wasserstraße Donau. Für die Hochseeschifffahrt bräuchte ich ein ganz eigenes Studium und sehr zeitintensiv, als Frau hat man da kaum Chancen. Man ist Mitte 40, wenn man mit der Ausbildung fertig ist, bis man dann einen Status hat, ist man kurz vor der Pension. Das ist einfach nicht mein Lebensziel, dass ich mein Leben lang nur lerne. Ich werde auf der Donau bleiben, sind ja doch 2860 km Spielraum. (lacht)
 StadtSpionin Wien
Eine der Lieblingsstrecken der Tirolerin: durch die malerische Wachau.
Sie stammen aus Tirol. Warum haben Sie die Berge gegen den Wiener Großstadtrummel getauscht?
Egal welcher Tag ist, es ist immer was los! Auch am Abend, wenn man fortgehen möchte, findet man immer etwas. Ich weiß nicht, wie es dann in der Pension ausschaut, ob ich dann immer noch so denke oder ob ich doch besser wieder zurückgehe! (lacht) Aber momentan ist Wien einfach perfekt und ich fühl mich total wohl. Wenn Besuch aus Tirol da ist, werde ich auch immer wieder zur Touristin und man schaut sich verschiedene Dinge an. Aber die Freizeit im Sommer ist sehr gering, da es ja ein Sommerjob ist. Im Winter werden die Schiffe wieder renoviert. Ich habe das Glück, durchgehend beschäftigt zu sein. Das sind nicht alle, es gibt auch viele Saisonarbeiter.
Wo halten Sie sich am liebsten auf, wenn Sie nicht gerade Frau Kapitän sind?
Also immer irgendwo am Wasser, gemütlich in der Sonne liegen oder so. Das Wasser ist schon etwas, das mich täglich begleitet, ich war schon immer eine Wasserratte. Jede freie Minute, wenn das Wetter gepasst hat, bin ich schwimmen gegangen. Ich habe auch in der Nähe vom Aachensee gewohnt und immer die Wassernähe gehabt.
Auf dem Wasser ist man unabhängig und frei, weit weg vom Festland. Ist das ein Ausbruch aus dem Alltag?
Nein, das spielt keine Rolle. Ich bin zwar gern unterwegs, aber es ist keine Flucht. Es ist einfach schön, immer wieder was Neues zu sehen.
Jedenfalls hat man am Wasser einen anderen Blickwinkel auf die Dinge. Gibt es Entdeckungen, die man am Festland nicht machen kann?
Das ist eine gute Frage. (überlegt) Ich sag es so: Wenn man nach Wien rein fährt und die Silhouette von der Stadt sieht, ist das schon beeindruckend. Wenn man auf der Autobahn fährt, fällt einem das alles nicht so auf wie auf dem Wasserweg. Auch wenn man in einen Sonnenuntergang hinein fährt, ist das schon sehr schön.
 StadtSpionin Wien
Unter Deck: Vor dem Start muss alles gründlich geprüft werden.

Sie sind die einzige weibliche Kapitänin bei der DDSG. Muss man als junge Frau in einer Männerdomäne viele Sprüche aushalten?
Man braucht schon eine dicke Haut. Am Anfang in der Lehrzeit ist es eigentlich gegangen, weil ich da halt mehr am lernen war. Aber sobald ich den Status erreicht hatte, wurden die Krallen ausgefahren. Als Frau muss man schon minimum 20 % mehr geben, damit man akzeptiert wird. Es ist halt einfach eine Männerdomäne und vielleicht sind die Männer gekränkt, dass sich die Frauen da jetzt auch noch reindrängen.
Spüren Sie die ungleichen Geschlechterrollen auch im Umgang mit Vorgesetzten und Passagieren?
Meine Vorgesetzten stehen total hinter mir und legen mir keine Steine in den Weg. Sie haben mir von Anfang an gesagt, dass ich mir sicher einiges gefallen lassen und einfach drüber stehen muss, damit was aus mir wird. Bei den Fahrgästen ist es schon schwieriger. Wenn ich da zu einem hingehe und sage, er soll etwas lassen, werde ich oft nicht ernst genommen. Ganz besonders wenn sie betrunken sind, wird es sehr mühsam. Auch ausgelacht wird man teilweise, es wird so richtig mit dem Finger auf einen gezeigt und gelacht. Da denkt man sich schon oft: Warum habe ich das notwendig? Teilweise fehlt wirklich der Respekt.
Der Twin City Liner ist so was wie der Porsche unter den Schiffen. Was macht ihn so chic?
Die Geschwindigkeit, die Wendigkeit. Es ist wie ein Gokart (lacht), es ist nicht mit einem normalen Schiff vergleichbar. Andere Schiffe sind viel träger und brauchen eine gewisse Zeit bis sie reagieren. Ich fahre momentan mit dem Twin City Liner, als zweiter Kapitän (stolz). StadtSpionin Wien
Oberlechner auf hoher See in ihrem Element Wasser.

Trotzdem geschehen Unfälle. Im August wurden bei einem Crash am Donaukanalufer sieben Menschen verletzt. Wie kann das passieren?
Das kann im Prinzip auch bei jedem Auto, Zug oder Autobus passieren. Alles wird über einen Computer eingestellt. Wir geben die Befehle ein und sie werden durch den Computer durchgeführt. Wenn dann irgendwas ist, ist man einfach machtlos. Ich war nicht dabei und weiß auch nicht ganz genau, was da passiert ist. Als Maßnahme gibt es jetzt eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 km/h im Donaukanal. Ich finde es auch besser so, bevor wieder irgendwas passiert.
Apropos Geschwindigkeitsbegrenzungen: Gibt’s in der Schifffahrt auch so strikte Regelungen wie beim Straßenverkehr?
Im weitesten Sinne kann man es sich wie beim Autofahren vorstellen. Es gibt auch nur bestimmte Plätze, wo man "parken" darf - ich sage absichtlich parken, um es mit dem Autofahren zu vergleichen - und wo man umdrehen darf. Es gibt auf jeden Fall mehr Regeln als bei StadtSpionin Wien
Der Twin City Liner, Luxusgefährt unter den heimischen Schiffen.
m Autofahren. Wir haben generell auch Sprechfunk am Schiff, die Donau ist gegen den Strom kilometriert. Beim Ausweichen sagt das gegen die Strömung fahrende Schiff, wie es die Begegnung haben will: links oder rechts. In manchen Bereichen gibt es Regelungen und sonst macht man es sich jedes Mal untereinander aus. Ich darf mir auch beim Autofahren und Motorrad fahren nichts erlauben. Wenn ich meinen normalen Führerschein verliere, verliere ich auch das Kapitänspatent und meinen Job.
Gab es schon mal eine heikle Situation bei Ihnen an Bord?
(überlegt) Da fällt mir jetzt auf die Schnelle eigentlich nichts ein. Grad dass der Bugstrahler mal nicht funktioniert. Das ist ein Propeller am Bug vorne, bezweckt dass man sich mit dem Schiff leichter nach rechts und links bewegen kann. Aber man braucht es eigentlich nicht wirklich, wir haben auch Schiffe, die das nicht haben, das ist eigentlich nur ein Zusatzluxus.
Wann ist Ihnen bewusst geworden: Jetzt bin ich die Frau hinter dem Steuer, die für alles verantwortlich ist?
Eigentlich erst, als ich die Prüfung beendet habe und mir das Verkehrsministerium gesagt hat, dass ich bestanden habe. Da hab ich mir schon gedacht "Jetzt wird’s ernst!" Bis dahin wäre für meine Fehler immer der Kapitän verantwortlich gewesen, aber seitdem ich selber das Kapitänspatent habe ... Wenn jetzt irgendwas ist, bin ich alleine für alles verantwortlich. Da überlegt man schon, was man macht. Denn wenn es nachweislich ein fahrlässiger Fehler von mir ist, hafte ich persönlich und nicht die Reederei!

Mari Kollegger
(Oktober 2012)

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1020 Wien
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