Stadtgespräch

Die Klimakrise ist zu dringlich. Ich kann jetzt nicht einfach gehen.

Katharina Rogenhofer im Interview

Mit nur 25 Jahren ist die Klimaaktivistin Katharina Rogenhofer zur Chefin des Klimavolksbegehrens in Österreich ernannt worden. Im Herbst startet sie mit dem Verein in die Unterstützungsphase, um genug Stimmen für den Antrag beim Innenministerium zu sammeln. Bei der Organisation wird Rogenhofer von einem großen Team an freiwilligen HelferInnen unterstützt. Der StadtSpionin verrät die junge Wienerin, woher ihre Liebe zur Natur kommt, wo Österreichs Klimapolitik Nachhilfe benötigt und was sie sich für Wiens Zukunft wünscht.

Katharina RogenhoferStadtSpionin: Frau Rogenhofer, Sie sind die Sprecherin des Klimavolksbegehrens. Wie ist es dazu gekommen?
Katharina Rogenhofer: Schon bevor ich Fridays For Future in Wien gestartet habe, habe ich mitbekommen, dass es ein Klimavolksbegehren gibt und fand gleich, dass das ein ziemlich cooles Werkzeug ist, um Klima-technisch etwas in unserem Land zu bewegen. Daraufhin habe ich mich bei den Initiatoren gemeldet und gefragt ob und wie ich mitmachen kann und wurde ins Freiwilligen-Team aufgenommen. Am Anfang war das Volksbegehren ja parteipolitisch, als das ganze „Projekt“ dann größer geworden ist, war der nächste logische Schritt, es in die Hand der Zivilbevölkerung zu übergeben und so wurde ich gefragt ob ich es übernehmen möchte.

Wie sieht die Klima-Lage in Österreich derzeit aus, was ist das Wichtigste, was man wissen muss?
Wenn wir uns die letzten 10 Jahre anschauen, ist Österreich eines der wenigen Länder in der EU, wo die Treibhausgas-Emissionen gestiegen sind. Im Pariser Übereinkommen haben wir uns dazu verpflichtet, die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. In Österreich bleiben wir mit 2 Grad deutlich hinter diesem Ziel zurück. Was wir konkret schon jetzt spüren sind Ernteausfälle wie letzten Sommer, Dürre und Waldsterben. Auch die Hitze an sich ist schon bemerkbar. Vor allem, wenn man in der Stadt lebt. Es ist viel heißer und die Hitzeperioden dauern länger als noch vor einigen Jahren.

Katharina Rogenhofer
Engagierte Sprecherin: Katharina Rogenhofer mit Plakaten für die Fridays for Future Demonstrationen
Angeblich wird in Wien bald ein Klima wie in Skopje herrschen. Was sind denn die extremsten Auswirkungen, die wir spüren werden und wann?

Am schnellsten geht es wie gesagt in den Städten. Die erhitzen sich viel mehr und viel schneller! Besonders leiden jene, die sich nicht (ausreichend) vor Hitze schützen können und empfindliche Menschen, zum Beispiel alte Leute. Wenn man eine Dachgeschosswohnung hat oder in einem überhitzen Büro ohne Klimaanlage arbeitet, kann das schon sehr belastend für die Gesundheit sein. Am Land ist es ein bisschen einfacher. Im Schatten eines Baumes ist es um 6 Grad kühler, im Schatten einer Mauer um nur 1 Grad. Da stellt sich dann auch die Frage, wie wollen wir uns lieber abschirmen? Die Stadt wird nicht mehr so lebenswert sein. Generell werden Allergien und Krankheiten zunehmen und es wird Tropenkrankheiten wie Malaria geben. Extrem-Wetter wird auch immer häufiger, damit auch Muren und Überflutungen. Wir müssen wahrscheinlich unsere Agrarwirtschaft und unsere Ernährung umstellen und neue Lebensmittel anbauen, die hitze- und trockenresistenter sind. Es ist ganz schwer genau zu sagen, in wieviel Jahren es um wieviel Grad mehr hat. Momentan sieht es aber so aus, dass alles schneller passieren wird als bisher angenommen, Prognosen werden laufend überholt. Zu konkreten Auswirkungen in Österreich gibt es wenige Studien, global ausgerichtet gibt es mehr. Kürzlich haben wir erfahren, dass das Grönland- und Arktis-Eis schneller schmilzt als gedacht. Das bedeutet, der Meeresspiegel steigt schneller!

Und warum wird oder wurde gerade in Österreich so wenig dagegen getan, wieso sind wir eines der Schlusslichter beim Klimaschutz?
In den 80ern hat man klima-technisch viel verabsäumt und ich frage mich selbst oft, warum wir hier nicht eine Vorreiterrolle haben. Die Kapazitäten sind sicher nicht schlechter als in anderen Ländern. Anscheinend ist Klimaschutz nie hoch genug auf der politischen Agenda der Parteien gewesen. Lange waren Migration und Asyl die wichtigsten Verhandlungspunkte. Zum Glück gibt es jetzt eine große Klima-Bewegung, die das Thema auf den Punkt bringt.

Mit dem Klimavolksbegehren machen Sie auf die Probleme aufmerksam. Haben Sie auch konkrete Lösungsvorschläge dazu oder überlassen Sie die der Politik?
Ja, es gibt konkrete Vorschläge. Wir sehen uns nicht nur als jemand, der informiert, sondern tatsächlich auch konkrete Vorschläge macht. Unsere Forderungen sind zum Beispiel die Einführung einer sozial gerechten Steuer, Subventionen für die Eindämmung der Emissionen, leistbare erneuerbare Energien und der Ausbau von öffentlichem Regional- und Fernverkehr. Wir arbeiten mit Wissenschaftlern zusammen, die einen Referenzplan ausarbeiten und an dem halten wir uns an. Ein Volksbegehren ist aber nicht da, um konkrete Gesetze vorzuschlagen. Wir zeigen mögliche Lösungsansätze auf.

Was hat oberste Priorität? Wo muss man beginnen?
Ich glaube ein erster Schritt ist eine sozialökologische Steuerreform. Nicht, weil das der größte Schritt wäre, sondern weil es dadurch zu einer Umlenkung kommt, die klimafreundliches Handeln belohnt und -schädliches besteuert. Gleichzeitig nimmt der Staat Geld ein, das in den Ausbau von öffentlichem Verkehr und klimafreundliche Energien investiert werden kann. Und es kann denen Geld zurückgegeben werden, die sich Klimaschutz nicht leisten können.

Sind Sie mit anderen Aktionen welt- oder europaweit vernetzt?
Wir haben ein bisschen Austausch mit einem ähnlichen Volksbegehren in der Schweiz und einer Initiative in Dänemark. Zum Großteil ist die Vernetzung aber national, mit Umwelt-NGOs, Sozialpartnern, Kirche, Gewerkschaften, Kammern und weiteren zivilgesellschaftlichen Organisationen.

Katharina Rogenhofer
Die erst 25-Jährige steht fürs Klimavolksbegehren in der Öffentlichkeit.
Und wie sieht diese Zusammenarbeit aus?
Diese Initiativen brauchen wir als Multiplikatoren, um an mehr Leute heranzukommen. Dafür freuen wir uns über die Unterstützung von gut aufgestellten Partnerinnen und Partnern. Wir tauschen aber auch Inhalte und Informationen aus, bekommen zum Beispiel wichtige Inputs von der Arbeiterkammer und Klima-Fakten von NGOs. Manche Unternehmen unterstützen uns in der Kommunikation, in Form von Freiwilligen-Trainings oder mit Räumen, die sie uns für Organisations-Meetings zur Verfügung stellen. Für unser Gelingen im Land brauchen wir eine möglichst breite Hilfe.

Wie sieht ihr Arbeitsalltag aus? Gibt es viele „ernüchternde“ Momente oder mehr motivierende und hoffnungsvolle?
(Lacht) Das hält sich ungefähr die Balance. Am Vormittag bin ich meist unterwegs, in Büros und zur Vernetzung. Am Abend stehen Treffen mit unseren Freiwilligen an. Dazwischen mache ich die anfallende Organisationsarbeit. Motivierend ist für mich, wenn bei anderen Offenheit und Gesprächsbereitschaft da ist und neue Information und Vorschläge angenommen werden. Andererseits wird mir die Dringlichkeit von unserem Anliegen immer mehr bewusst, seit ich mich so viel damit beschäftige. Die Prognosen halten nicht mehr. Das stresst. Manchmal ist es schwierig, die Panik und Angst in positive Arbeit und Energie und umzuwandeln. Aber meine Entschlossenheit hilft mir.

Sie sind eine waschechte, geborene Wienerin. Wie sind Sie als Großstädterin auf die Natur aufmerksam geworden? Was für eine persönliche Beziehung haben Sie zu ihr?
Ich habe als Kind Geolino gelesen und ein Naturtagebuch geführt. Da hab’ ich protokolliert, wie sich Kaulquappen im Teich entwickeln und ein Gedicht über ein Blatt geschrieben und solche Dinge. Die Natur hat mich von Anfang an interessiert, darum wollte ich auch Forscherin werden. Das war ich sogar eine Zeitlang, im Regenwald von Indien, zwischen meinem Bachelor- und dem Masterstudium. Ich war immer naturwissenschaftlich interessiert und habe dann Biologie in Wien studiert und im Master Naturschutz in England. Ich würde das auch gern wieder machen, als Arten-Forscherin arbeiten, aber das Thema hier um die Klimakrise ist einfach zu dringlich. Ich kann nicht einfach gehen und was anderes machen.

Sie sind erst 25 Jahre alt. Wie lange beschäftigen Sie sich schon mit Klimaschutz und wie war Ihr Weg dahin?
Angefangen hat das im Bio-Studium, als ich mir angeschaut habe, wie sich Lebensräume von Tieren durch die Klimaerwärmung verschieben, wie schnell das funktioniert und ob sich Pflanzen und Tiere schnell genug adaptieren können oder aussterben. Irgendwann wollte ich mit meinen alarmierenden Ergebnissen und Anliegen mehr Leute erreichen als nur die vier, die sich meine Studie durchlesen und selbst aktiv werden. Dann habe ich ein Praktikum bei der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen absolviert und bin zur Klimakonferenz nach Katowice gereist. Dort war ich von Greta Thunberg so inspiriert, dass ich gemeinsam mit zwei Freunden Fridays For Future in Wien initiiert habe.

Das Klimavolksbegehren ist ein großes Thema in allen Medien. Wie gehen Sie mit der Aufmerksamkeit und möglichen Anfeindungen um?
Es ist ein bisschen absurd, dass ich jetzt so viel Aufmerksamkeit bekommen. Ich bin ja niemand anderer als vorher. Andererseits ist es gut, weil ich dadurch auf das Thema aufmerksam machen kann – und jede öffentliche Präsenz hilft, das Klimavolksbegehren weiter zu verbreiten. Das letzte Jahr war spannend, aber auch anstrengend und belastend. Es haben sich viele Dinge einfach so ergeben und sind von selbst ins Rollen gekommen. Das liegt an der Dringlichkeit unseres Themas. Mit Anfeindung komme ich schwer zurecht, weil ich harmoniesüchtig bin und will, dass mich alle verstehen. Ich will wirklich alle mitnehmen und finde es schade, wenn ich das nicht schaffe. Für die Sache an sich sind Anfeindungen aber nicht unbedingt schlecht, weil es bedeutet, dass man dadurch gehört wird und dass die Thematik Wellen schlägt. Das ist ein natürliches Nebenprodukt.

Hat es Ihrer Meinung nach eher Vor- oder Nachteile in diesem Job eine Frau zu sein?
Beides! Der Nachteil ist, dass sehr viele Umweltschutz als liebes Eh-Nett-Projekt abstempeln. Frauen werden noch immer nicht ganz so ernst genommen wie Männer, die Themen vortragen. Aber trotzdem finde ich es inspirierend zu sehen, dass gerade bei Umweltthemen viele Frauen vorne stehen, wie eben auch Greta. Ich empfinde das als positiv, dass die Spitzen der Umweltbewegung weiblich sind. Zu Vorteilen als Frau muss ich ganz pragmatisch sagen: Ich werde mehr zu Diskussionen eingeladen wegen der Gender Balance - das kann aber auch Nachteil sein. Ich hoffe, irgendwann ist das alles nicht mehr wichtig.

Sie haben vorhin erwähnt, dass sie gemeinsam mit Kollegen Fridays For Future in Wien etabliert haben. Sind Sie dort noch dabei?
Ich bin noch dabei, aber Großteils im Hintergrund aktiv. FFF ist in Arbeitskreise geteilt und ich bin noch in einem drinnen und auch bei den Vernetzungstreffen dabei, konzentriere mich aber natürlich mehr aufs Volksbegehren. Aber der Austausch ist da.

Katharina RogenhoferWas wünschen Sie sich für das Wien der Zukunft?
Mehr Grünflächen, schon allein um die Hitzepole abzufedern, mehr Platz zum Radlfahren, weiterhin leistbare Öffis, mehr Außenbegrünungen und generell neue Stadtkonzepte, die auch die Gemeinschaft fördern. Außerdem mehr Regionalität in Wirtschaft und Handel, das geht nämlich auch in der Stadt, wenn man Produkte und Ressourcen aus dem näheren Umland nutzt. Im Idealfall wird Wien eine Stadt sein, wo man auf motorisierten Verkehr verzichten kann, weil es einfach nicht notwendig ist und keinen Sinn macht, mit dem Auto zu fahren. Und ich wünsche mir mehr Fußgängerzonen. Da spielt ganz viel zusammen.

Was sind denn so Ihre „geheimen“ Rückzugsorte oder Lieblingsplätze in der Stadt?
Meine Eltern wohnen nahe dem Wienerwald und ich bin sehr gerne dort unterwegs. Diese Möglichkeit ist großartig, das einfach Rausgehen-Können, das erdet mich auch.

Was schätzen Sie an Wien besonders?
Dass man schnell Draußen ist, und dass die Distanzen relativ kurz sind im Vergleich zu vielen anderen Großstädten. Wahrscheinlich liegt das auch daran, dass es nicht zu groß ist. Es ist schon ein Luxus, dass man eigentlich fast nirgendwo länger hin braucht als 20 Minuten. Die Öffis finde ich einen Wahnsinn und die Radinfrastruktur mag ich auch. Wien bietet eine super Kombination aus Natur mit den Vorzügen vom Stadtleben.

www.klimavolksbegehren.at

( Franziska Treml, August 2019 )

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