Ich liebe es, mit Wölfen in der Sonne zu sitzen
Friederike Range im Interview
Friederike Range (38) hat monatelang im afrikanischen Urwald Affen erforscht und Raben am Konrad-Lorenz-Forschungsinstitut betreut. Seit 2008 leitet sie von Wien aus gemeinsam mit zwei weiteren Wissenschaftlern das Wolf-Science-Center in Ernstbrunn. Sich mit Wolfswelpen die Nächte um die Ohren zu schlagen und mit ausgewachsenen Wölfen Seite an Seite zu arbeiten, steht an der Tagesordnung. Die StadtSpionin sprach mit der Wolfsexpertin, die trotz aller Forschungsarbeit ein Genussmensch geblieben ist.

  Friederike Range,
  Wolfsforscherin in WienStadtSpionin: Wie kamen Sie dazu, mit  Wölfen zu arbeiten?
  Friederike Range: Gute Frage. Das war Zufall. Ich hab bei meiner Doktorarbeit  in den USA mit Affen gearbeitet. Danach wollte ich zurück nach Europa um das  Thema Kooperation zu erforschen. Und wenn es um Kooperation geht ist der Wolf  natürlich interessant: Er jagt kooperativ, er zieht Junge kooperativ auf und er  teilt das Revier kooperativ. Da stellen sich viele Fragen, beispielsweise  verstehen die Wölfe, dass jedes Tier im Rudel besondere Eigenschaften hat, die  für eine besondere Aufgabe besonders geeignet sind? Wählen sie also ihren  Kooperationspartner je nach Aufgabe aus, haben sie eine bestimmte Beziehung zu  den Partnern mit denen sie kooperieren? Und um diese Evolution der Kooperation  zu erforschen, sind Wölfe am interessantesten und einfach extrem faszinierend.
   Wie kommt man eigentlich als deutsche Wissenschaftlerin,  die in den USA und an der Elfenbeinküste geforscht und gelebt hat, nach Österreich?
    Im Prinzip sind die Wölfe schuld (lacht). Nach meiner  Doktorarbeit in Pennsylvania habe ich überlegt, wer in Richtung Kooperation  forscht und wer Interesse hätte mit Wölfen zu arbeiten. Ich erfuhr, dass an der  Konrad-Lorenz-Forschungsstelle in Grünau Interesse besteht, also hab ich den  Zuständigen dort kontaktiert, den Kurt Kotrschal. Die Zusammenarbeit hat aber  nicht gleich funktioniert, weil wir keine finanzielle Unterstützung bekamen.
  Und wie kam es dann zur  Gründung des „Wolf-Science-Centers“in Ernstbrunn?
    Im Prinzip sind wir ins kalte Wasser gesprungen. Da wir  nicht genügend Geld auftreiben konnten, um das Wolf-Forschungszentrum zu  realisieren, habe ich eine PostDoc-Stelle 
 
      Range beim Füttern junger 
      Wolfe in Ernstbrunn
      an der Universität Wien angenommen,  um dort soziales Lernen bei Affen und Hunden zu untersuchen. Je mehr man mit  Hunden arbeitet, umso mehr kommt aber die Frage auf, was ist während der  Domestikation passiert? Wo unterscheidet sich der Wolf wirklich vom Hund? Um  den Hund zu verstehen, muss man den Wolf erforschen. Und so kam, dieses mal von  einer anderen Richtung, wieder der Wolf ins Spiel. Und dann haben wir zu dritt  beschlossen: wir machen es jetzt einfach, auch ohne finanzielle Unterstützung.  Tja und so haben Kurt Kotrschal, Zsófia Virányi und ich vor 2 Jahren das  Wolf-Forschungszentrum aufgebaut - ohne einen Euro.
  Müssen Sie als jemand, der mit einem Wolfsrudel  zusammenarbeitet, eigentlich  eine  Art Alphatier sein?
    Nein, das will ich auch gar nicht. Ein Alphatier wird  irgendwann gechallenged und es wird immer wieder ausprobiert, ob man überhaupt  das Alphatier ist. Und wenn das einem der Wölfe einfällt, dass sie das mit mir  ausprobieren wollten, hätte ich überhaupt keine Chance. Was sollte ich ihnen  denn auch entgegenhalten, wenn da so ein Wolf daher kommt mit 50 Kilo, der meinen  Kopf annähernd in seine Schnauze bekommt? Da kann ich gar nichts dagegen tun.
  Hunde liefern sich mit ihren Besitzern ja auch immer  wieder 
kleinere Machtkämpfe. Leben wir mit Wölfen im Hundepelz?
    Diese Frage ist Teil unserer Forschung. Wir arbeiten mit  einer Hundegruppe im Clever-Dog-Lab, die genauso aufgezogen wurden wie unsere  Wölfe, um herauszufinden, wo die Unterschiede sind. Das ist das erste Projekt,  bei dem mit erwachsenen Tieren tagtäglich gearbeitet wird. So etwas ist  wirklich einzigartig bisher! Unsere Wölfe wissen, sie müssen Probleme lösen -  und so gehen sich auch an die Sache heran und sind voll konzentriert bei der  Arbeit. Wir arbeiten sehr stark an diesem Projekt, wobei wir fast täglich  überrascht werden, welche Unterschiede es gibt und welche wiederum nicht. Die  Wolfsdaten, die wir bisher haben, zeigen uns, dass Wölfe viel mehr können, als  ihnen bisher zugetraut wurde!
   Hélène Grimaud, die berühmte Pianistin und Begründerin  eines Wolfszentrums in der Nähe von New York, meinte einmal, dass sie bei einem  nächtlichen Spaziergang in Florida einem Wolf begegnet ist und eine Art  Seelenverwandtschaft verspürt hat – gab es in Ihrem Leben auch Erfahrungen  dieser Art?
(Lacht!) Ich mag die Wölfe, ich mag sie sehr gern, ich  arbeite sehr gerne mit ihnen und hab ein sehr gutes Verhältnis mit ihnen –  meistens. Sie vertrauen mir, ich vertraue ihnen bis zu einem gewissen Grad.  Aber Seelenverwandtschaft ist für mich etwas komplett anderes. Der Wolf ist ein  sehr faszinierendes Tier, aber er ist und bleibt ein Tier.
  Kennen Sie denn  das Wolfszentrum von Hélène Grimaud?  
  Bevor wir das Wolf-Science-Center aufgemacht haben, waren  wir 3 Wochen in Amerika unterwegs. Wir haben die großen Wolfszentren besucht,  um zu lernen und auch zu wissen, worauf wir uns hier einlassen, und  herauszufinden, was können wir mit den Tieren wirklich machen. Wir wollten auch  Helen Grimaud besuchen. Das ist uns leider nicht gelungen. Sie hatte keine Zeit  oder sie wollte uns nicht sehen, ich weiß es nicht. Es hätte uns sehr  interessiert, wie sie mit den Tieren arbeitet oder was genau sie macht.
  Sie sind an der Uni Wien  an der Fakultät für Kognitionsbiologie   angestellt. Ist es in  Österreich immer noch schwieriger als WissenschaftlerIN, also als Frau  anerkannt zu werden, oder hat sich das in den vergangenen Jahren verändert?
    
Einfach ist es sicherlich nicht. Gerade an der Universität  ist sehr viel Traditionsdenken dabei. Wenn man mit älteren Männern  zusammenarbeitet und frau hat die bessere Position, ist es für viele Männer ein  Problem. Das begegnet uns aber immer wieder auf vielen Ebenen. In den USA ist  es auf jeden Fall gemischter. Schon das Universitätssystem ist ein komplett  anderes. Es gibt sehr viel mehr Professoren und Assistenzprofessoren, und in  den Abteilungen in denen ich gearbeitet habe, war es auf jeden Fall  ausgeglichener was Männer und Frauen betrifft. Ich bin mir aber sicher, dass  man als Frau im Großen und Ganzen mehr leisten muss, um dasselbe zu bekommen.
    Im dem wunderschönen Buch „Die Wolfsfrau“von Clarissa  Pinkola Estés, in dem es um die Entdeckung der Urfrau in uns Frauen geht, kommt  folgender Satz vor: Wilde Frauen werden genauso gefürchtet wie Wölfe – stimmen  Sie dem zu?
      Für mich ist das ein sehr interessanter Satz, man muss nur  vorsichtig sein mit solchen Sätzen. Ich hoffe eigentlich nicht, dass viele  Menschen Angst vor Wölfen haben, aber ich glaube schon, dass starke Frauen für  viele Leute ein Problem darstellen. Gerade für Männer, und gerade wenn die Frau  auch noch erfolgreicher ist, ist das für viele ein Problem.
      Wie würden Sie sich  eigentlich selbst als Person beschreiben? Was macht Sie aus?
       Ich bin ein sehr direkter Mensch,  ich glaub das ist eine typische deutsche Eigenschaft. Ich bin recht fair, kann  sehr geduldig sein, aber eher nur mit Tieren. Ich bin ein Lebe- und  Genussmensch. Irgendwo ein gutes Gläschen Wein zu trinken, das ist schon  wunderschön. Ich bin sportlich, gehe gerne Schitouren und auch sehr gerne  wandern. Ich bin viel an der frischen Luft, auch privat. Ich reise unheimlich  gerne, da kann ich 
mich einfach komplett fallen lassen und mal genießen. Ich  bin aber auch sehr ehrgeizig und momentan arbeite ich sicherlich zu viel. Die  zwei Projekte, das Wolfsforschungszentrum und das Clever Dog Lab, nehmen mich  schon ganz schön in Anspruch. 
       Sie wohnen in Wien, arbeiten aber mit und in der Natur  –  wie lebt es sich mit dem  „Spagat“ zwischen urbaner und ländlicher Lebensweise?
       Ich war insgesamt gute zwei Jahre  im Regenwald in Afrika, wo es nur Natur gibt. Ich war dort 2 bis 3 Monate am  Stück, manchmal auch sechs Monate. Das ist Natur pur. Ich mag aber auch gerne  Kultur - und von daher ist das ein sehr angenehmer und netter Spagat. Ich bin  viel draußen, was ich sehr gerne mag. Ich arbeite unheimlich gerne mit Tieren,  auch direkt, also wirklich mit denen zusammen, sitze mit den Wölfen auch  einfach nur mal gerne in der Sonne. Aber dann ist es auch gut, wenn man Abends  irgendwo fein Essen gehen kann. 
      Wohin denn zum Beispiel?
      Es gibt zwei Lokale, die mir sehr gut gefallen: das eine ist  das „ON“ im 4. Bezirk. Ein sehr schöner asiatischer Mix. Und das andere ist der  „Entler“ auch im 4. Bezirk. Wow, dort gibt’s wirklich ganz leckere Sachen.  Witzigerweise habe ich in der Zeit, als ich in den Staaten gelebt habe, viele  neuartige und überraschende Speisen gegessen. Obwohl Amerika ja nicht gerade  für seine gute Küche bekannt ist. Aber diese Fusionsküche ist sehr interessant,  da gab´s zum Beispiel kubanisches Essen gemixt mit amerikanischem. Mir hat das  viel Spaß gemacht, dort essen zu gehen. Und so in die Richtung geht’s auch im  ON oder im Entler, aber sonst habe ich diese „Fusion Cuisine“ in Wien noch  nicht entdeckt.
       Sie scheinen das Stadtleben in Wien ziemlich zu  genießen...
    Wien ist eine wunderschöne Stadt. Was mir sehr gut gefällt  an Wien ist die Lage, also dass man innerhalb einer Stunde am Schneeberg ist  oder, je nach dem wo man wohnt, in einer halben Stunde bis zehn Minuten im  Wienerwald. Die Kombination von Stadt und Natur find ich sehr schön! Ich mag  die Heurigen auch sehr gerne. Ich habe hier in Österreich gelernt, guten Wein  zu trinken. Also so ein Zweigelt ist ganz was Feines! Oder ein gelber  Muskateller, das kann ich immer wieder sehr genießen. Die Stadt ist zum Teil  etwas steif - was fehlt ist so eine nette Cafe-Kneipen-Atmosphäre in den  Lokalen, wo man einfach mal sitzen und brunchen kann. Das gibt es natürlich,  aber nicht in dem Ausmaß wie zum Beispiel in Berlin. Das vermisse ich in Wien  ein bisschen. Dafür gibt’s hier die Staatsoper.
    Gracia Geisler
    April 2010  
    
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KONTAKT
  Wolf-Science-Center
  
  Wildpark Ernstbrunn
  Dörfles, 2115 Ernstbrunn
  
  www.wolfscience.at
  https://cleverdoglab.univie.ac.at
                               
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