Stadtleben

  Alles bio, oder was?

Die StadtSpionin ist fremdgegangen und hat für das Falter Buch "Wien, wie es isst... 2010" das Kapitel über Bio-Restaurants geschrieben, das Ihr hier in voller Länge lesen könnt. Denn: Gesund, natürlich und ohne Chemie – so würden wir doch alle gerne essen. In Wien ist das aber schwieriger, als man denkt.

FAlter Wien, wie es isst 2010Eines kann dem geneigten Esser in der St. Charles Alimentary garantiert nicht passieren: dass die Suppe versalzen ist. Denn in dem schicken Minilokal wird die klare Gemüsesuppe ausschließlich – ja, ausschließlich – aus Gemüse hergestellt. Salz kommt da keines rein. Ein Dogma will Chef Manfred Hofer daraus aber nicht machen. „Mir geht’s eher darum, dass die Menschen ihren Geschmackssinn verloren haben. Die Leute glauben ja, ohne Salz ist alles fad.“ Also wird die Gemüsesuppe pur gekocht und schmeckt nur nach dem, was drin ist. Und wer noch nicht „sensibilisiert“ genug ist, der verwendet einfach das Salzfass am Tisch. Bitte ohne Genierer, sagt der Chef.

Die St. Charles Alimentary, die zum stetig wachsenden Reich der St.-Charles-Apotheke gehört, bezieht ihre Produkte vom Biohof Adamah. Der beliefert einige tausend Bio-Fans in der Stadt wöchentlich mit seinen Gemüsekistln und garantiert auch in der Alimentary die einwandfreie Bioherkunft aller Produkte. Womit wir beim Kernpunkt des Themas „bio“ wären. Gesund, vegetarisch, vollwert oder vital kochen nach eigener Aussage in der Stadt ja eine ganze Menge Restaurants, nur ist das dann auch immer bio? Klare Antwort: nein. Bei genauem Hinschauen kommt man gerade mal auf ein gutes Dutzend echter Biorestaurants in Wien, und das ist in Anbetracht der Tatsache, dass jede Supermarktkette bereits ihre eigene Bio-schiene fährt, erschreckend wenig.

„Vielleicht ist es den Restaurantbesitzern zu mühsam, sich um die Beschaffung einwandfreier Bioprodukte zu kümmern“, meint Denise Amann, die in ihrem Restaurant noi am Yppenplatz vorzeigt, wie kreativ und modern Bioküche abseits aller Körndl-Romantik sein kann. „Vor gut drei Jahren, als ich angefangen habe, war es auch wirklich aufwendig. Mittlerweile sind die Biolieferanten schon viel organisierter.“ Sagt’s – und klemmt sich dann ans Telefon, weil der Gemüselieferant die Bestellung von heute vergessen hat.

Offensichtlich braucht es immer noch eine gute Portion missionarischen Eifers, ein Biorestaurant zu betreiben. Die zahlenmäßig weit überlegenen Bioesser revanchieren sich dafür mit Enthusiasmus: Sie stehen zu Mittag geduldig Schlange in der Bio-Klassiker-Kantine St. Josef und vergessen auch nie, sich rechtzeitig im ständig ausreservierten Hollmann Salon anzumelden. 



Saint Charles AlimentarySaint Charles Alimentary
Zwei Tische, Bank, Küche – mehr als zwölf Leute passen in das puristisch-modern eingerichtete Minilokal nicht rein. Und puristisch zeigt sich auch die Karte: Die Zutaten stammen alle vom Biohof Adamah im Marchfelder Glinzendorf. Wer sich von Manfred Hofer und seiner Frau ausführlich bekochen lassen will, kann das allerdings nur am Abend nach vorheriger Reservierung tun. Kleine Gruppen werden im Lokal bekocht, größere in der eleganten Apotheke.
Saint Charles Alimentary, Gumpendorfer Str. 33, 1060 Wien. Mo–Fr nur abends. [ Web ]


Hollmann SalonHollmann Salon
Originell, toll eingerichtet und alles andere als ein normales Restaurant: Der Hollmann Salon von Schauspieler Robert Hollmann ist sicher einer der apartesten Plätze, um in Wien zu essen. Im barocken Heiligenkreuzerhof wurden mehrere alte Gewölbe mit moderner Architektur in die Jetztzeit geholt und in ein Lokal verwandelt, das wie eine private Wohnküche wirkt. Gekocht wird moderne und kreative österreichische Küche. Zu Mittag bestellt man sich drei (oder mehr) kleine Gänge, die man alle gleichzeitig „am Brettl“ serviert bekommt: Salon-Schnitzerl, Wiener Schnecken (köstlich!), Hühnerspießchen, Rollgerstelsalat. Am Abend werden ausführliche Menüs serviert, etwa Lamm „from nose to tail“. Und am Samstag gibt’s feines Frühstück.
Hollmann Salon, Grashofgasse 3 , 1010 Wien. Mo–Fr 12–15, 18–22, Sa 10–15, 18–22 Uhr.
[ Web ]


Burgermacherdie burgermacher
Fast Food einmal ganz langsam: Jan Bahr und Barbara Kunze, Anhänger der Slow-Food-Bewegung, zeigen in ihrem kleinen Lokal, wie Hamburger und Pommes auch schmecken können. Das Fleisch stammt vom Biobauern, das Burgerbrot wird nach spezieller Rezeptur vom Demeter-Bäcker Kaschik gebacken, die Pommes und die Süßkartoffelchips werden handgeschnitzt und die fantastische Mayonnaise frisch von Hand gerührt. Für Vegetarier gibt’s Falafel-Burger und solche mit Tofu. Das Ergebnis schmeckt wunderbar  – und die mindestens 15 Min. Wartezeit nimmt man dafür gerne in Kauf. 
die burgermacher, Burggasse 12 , 1070 Wien. Di–Sa 11.30–22.30 Uhr. [ Web ]


noinoi (NEUÜBERNAHME: Rasouli)
Noi heißt auf Italienisch „wir“ und auf Thailändisch „klein“ – und das ist auch ungefähr der Bogen, den die Küche des kleinen Szenerestaurants am Yppenplatz souverän schlägt. Die wöchentlich wechselnden Gerichte geben sich mal bodenständig, mal crossover und heißen hier gerne „Bussi rechts, Bussi links“ oder „Fernbeziehung“. Vegetarier, Fleischesser und Fischfreunde werden gleichermaßen mit einer kreativen Küche versorgt, die gerne ins Fruchtige tendiert. Alleine wegen der Chutneys sollte man hier essen. Denise Amann, mittlerweile dank ORF-Kochsendung auch außerhalb Wiens bekannt, und ihr Team kochen übrigens mitten im Lokal: die Tische sind quasi um die offene Küche drapiert.
noi, Payergasse 12 , 1160 Wien. Di–Fr 11–24, Sa 9–24 Uhr, So je nach Saison.

GesundesGesundes (NEUÜBERNAHME: Cuchina)
Nicht nur bio, nicht nur vegetarisch – nein, hier wird auch noch gleich vegan und nach den „5 Elementen“ der chinesischen TCM-Küche gekocht. Also echt echt gesund. Weswegen es auch keinen Kaffee und keinen Alkohol gibt, dafür täglich wechselnd (und nur zu Mittag) eine Suppe, eine Hauptspeise und ein Dessert. Die sehr reduzierte Speisekarte stört nicht, denn kaum wo in der Stadt wird Gemüse so abwechslungsreich zubereitet wie im Gesundes. Da das Lokal eigentlich ein Bioladen und verdammt klein ist, gibt es das Essen auch zum Mitnehmen. Und wer nachkochen will, kann die verwendeten Zutaten auch gleich vor Ort kaufen.
Gesundes, Lilienbrunngasse 3 , 1020 Wien. Mo–Sa 9–15 Uhr. [ Web ]

Naturkost St. JosefNaturkost St. Josef
Der Wiener Bioklassiker: Das St. Josef gibt es in der Erinnerung seiner vielen Fans praktisch „schon ewig“. Was nur teilweise stimmt, denn die meiste Zeit war die Verköstigung von Mittagsgästen im Stockwerk über dem gutsortierten Biogeschäft ein – etwas untergründiges und nur semilegales – Provisorium. Seit 2003 aber wird in der Zollergasse ganz offiziell gekocht: mit täglich wechselnden Suppen, einem vegetarischen (oft indisch angehauchten) Menü, einer großen Salatbar und vegetarischen Snacks wie Gemüse-Pizza und Seitan-Schnitzel. Die Lieblingskantine aller Kreativen nördlich der Mariahilfer ist um die Mittagszeit rappelvoll, was man aber trotzdem tapfer durchstehen sollte. Denn das Essen schmeckt einfach vorzüglich, und das seit Jahren.
Naturkost St. Josef, Zollergasse 26 , 1070 Wien. Bioladen: Mo - Fr 8:00-18:30, Sa 8:00-16:00Uhr. Restaurant: Mo-Fr 11:00-17:00, Sa 11:00-16:00 Uhr.

Noch sieben Wiener Bios:

Weingut Hajszan
Bioweingut in Heiligenstadt (2009 erste biologisch zertifizierte Lese) mit angeschlossenem Restaurant. Verwendet werden Biozutaten nach Angebot und Jahreszeit, sagt Stefan Hajszan, im Sommer mehr, im Winter weniger, „wie ich’s halt dergleng“. Regionalität und Saisonalität gingen bei ihm vor, meint der Winzer und Gastronom, im Winter ewig weit transportierte Bioware aus der Karibik zu verwenden, sei für ihn nicht zielführend. Immerhin: Zu den vier von Hajszan geführten oder mitgeführten Lokalen zählt auch der Raxkönig in Nasswald, dort weiden die Rinder und Schafe, die in Hajszans wienerisch-steirisch-mediterraner Küche Verwendung finden. 
Weingut Hajszan, Grinzinger Straße 86, 1190 Wien. Mi–Fr 16–24, Sa, So, Fei 11–23 Uhr. [ Web ]

Weltcafé
Fairtrade und bio, das Weltcafé ist quasi der Inbegriff der gastronomischen Moral. Noch dazu wird hier nett gekocht, es gibt asiatische Suppen, Risotti, Paste, Spießchen und Salate, Frühstück ist ein großes Thema, und wenn im Frühsommer die Nachmittagssonne in die Schwarzspanierstraße fällt, dann ist das hier ein ziemlich feiner Ort.  
Weltcafé, Schwarzspanierstraße 15, 1090 Wien. Tägl. 9–2 Uhr. [ Web ]

Dreiklang
1991 gegründet und damit einer der Biopioniere abseits der Reformhausszene. Vollwert, bio und Raum für Veranstaltungen sind das Motto, küchenmäßig bewegt man sich auf wienerischem bis mediterranem Terrain. Der Fisch stammt von Arge Bio-Fisch, ein erstklassiger Lieferant; Säfte, Weine, Biere – alles bio. 
Dreiklang, Wasagasse 28, 1090 Wien. Mo–Fr 9–22 Uhr. [ Web ]

Biomarkt Maran
Das von Denise Amann konzipierte und geführte Pasta-Lokal „pa’rama“ gab’s hier ja leider nur sehr, sehr kurz, die Idee des Bio-supermarkt-Bistros wurde allerdings weitergeführt. Es gibt täglich Menüs, die Suppe, Salate, vegetarische Hauptspeise (meistens Pasta) enthalten. Gut, aber halt nicht so gut wie in der Amann-Zeit.
Biomarkt Maran, Lindengasse 13–15, 1070 Wien. Mo–Fr 9–20, Sa 8–18 Uhr. [ Web ]

Oliva Verde
Bioklassiker, in dem zum großen Teil mit biologischen Zutaten gearbeitet wird. Warum die Pizzeria (Dinkel-Pizza) als Yoga-Res-taurant geführt wird, ist zwar die Frage, aber andererseits ist das ja auch kein Widerspruch. 
Oliva Verde, Florianigasse 15, 1080 Wien. Tägl. 11.30–15, 17.30–24 Uhr.

Suppito
Der wahrscheinlich beste Suppenladen Wiens, mit dem entscheidenden Nachteil, dass man in diesem hübschen Geschäft nicht essen, sondern die in Gläser gefüllten Suppen und Ragouts nur erwerben kann. Schade! Gekocht wird nach der Lehre der fünf Elemente, zertifiziert ist das Suppito zwar nicht, die Zutaten stammen etwa zu 95 Prozent aus heimischer und biologischer Produktion.
Suppito, 6., Girardigasse 9, 1060 Wien. Mo–Do 8–19 Uhr. [ Web ]

Tewa
Von Eli Kaikov, dem Betreiber der beiden Biowelt-Läden am Naschmarkt, seit einiger Zeit alleine geführt. Verarbeitet werden hier – gekocht wird klassische Marktküche mit aromatischen Highlights aus aller Welt – hauptsächlich Produkte aus dem eigenen Biohandel.


Tewa, Naschmarkt, Stand 672, 1060 Wien. Mo–Sa 8–24 Uhr. Web ]

Von Sabine Maier


Falter Wien, wie es isst

Wien, wie es isst … /2010, der umfangreichste Lokalführer Österreichs, verschafft Wienerinnen, Wienern und Stadtbesuchern den ultimativen Überblick über die Lokalszene der Stadt: mit über 4000 Adressen, vom original Wiener Beisl bis zum angesagten Szenetempel. Herausgegeben von Florian Holzer.

Wer das ganze Buch lesen will, kann es gleich hier bestellen: Falter

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