Die Männerquote auf heimischen Bühnen liegt fast bei 100%
Mal was anderes: Clara Luzia interviewt sich selbst!
Die Wiener Musikerin Clara Luzia  ist eine der beliebtesten heimischen   Singer-Songwriterinnen. Seit 2006 veröffentlicht sie Alben auf ihrem   eigenen Label Asinella Records. Etwas mehr als ein Jahr nach dem Release ihres viel gelobtes Albums „Here’s To Nemesis“ legt Asinella Records jetzt "Here’s To Nemesis Remixed" vor. Zum 10jährigen Bestehens ihres Labels interviewt Clara Luzia sich quasi selbst und gewährt spannende Einblicke  in die heimische Indie-Musikszene.
  
Clara Luzia: Fangen wir beim Anfang an: Was war die  Intention, 2006 ein Plattenlabel zu gründen? Es war ja nicht so, dass  Plattenverkauf Mitte der Nullerjahre ein lukratives und vor allem zukunftsträchtiges  Business war.
    Asinella Records: Es ist damals viel passiert in Wien. Alle  waren sehr umtriebig, es gab haufenweise aufregende, neue Musik. Da wollte ich  mitmischen, dem wollte ich Gewicht und Gehör verleihen, das fand ich extrem  spannend. Die Majorlabels bauten auch keine  heimischen Acts mehr auf, denen musste man also auch nicht gefallen. FM4 hat  das dann aufgegriffen mit dem FM4- Soundpark, wo ja rasch sehr sicht- und  hörbar wurde, wie vielfältig und leidenschaftlich in heimischen Kellern und  Wohnzimmern proudziert wurde.
    Findest Du es also schade, dass FM4 und jetzt sogar  wieder Ö3 vermehrt heimische Acts spielen und Radiotauglichkeit wieder ein Thema ist?
    Nein, natürlich nicht. Denn die andere Seite der  Medaille ist, dass die gesamte Szene sich selbst ausgebeutet hat und das zwar eine Zeit lang funktioniert,  aber eben nur temporär. Irgendwann ist Schluss, weil alle kaputt, ausgelaugt und  frustriert sind. 
 
    Wenn also in Foren und ähnlichem gelästert wird, dass  das Niveau heimischer Band so schlecht sei…
    …ist das nicht immer ganz falsch, aber eben auch nicht  fair - zumal ja die Frage ist: Was ist der Vergleichsmaßstab? Beyoncé? Man kann  MusikerInnen-Dasein in den USA und UK nicht mit jenem in Österreich  vergleichen.  Ein Problem  hiesiger MusikerInnen ist wirklich, dass sie zu wenige Spielmöglichkeiten  haben, das Land ist zu klein bzw. die Infrastruktur nicht vorhanden.
    
    
    
    Zurück zum Label: Was waren die Auswahlkriterien - so es  welche gab? Wie bist Du zu Deinen Acts gekommen?
    Es ist zum Beispiel nie passiert, dass ich MusikerInnen  unter Vertrag genommen habe, die mir unaufgefordert ihr Material zugeschickt  haben. Es geht ja viel um Vertrauen und Sympathie. Alle Acts, die auf meinem  Label sind, kannte ich also vorher schon. Ich habe immer nur veröffentlicht,  was mir selbst auch wirklich gefallen hat.
    Und was waren dann die Gründe, ab 2010 keine weiteren  KünstlerInnen mehr zu veröffentlichen - abgesehen von mir, Clara Luzia?
    Zeit- und Geldmangel. Da ich selbst mit meiner Musik  recht erfolgreich war und daher viel unterwegs, zudem noch einen Nebenjob bei  der Austria Presse Agentur hatte, war ich mit meinen Ressourcen am Ende. Dann  kam noch eine schwere Erkrankung hinzu, die erst jetzt sowas wie unter  Kontrolle ist.
    Reizt es Dich nicht, in Zeiten des letzten Jahres  ausgerufenen „österreichischen Popwunders“ wieder aktiv zu werden?
    Naja, ich bin ja nicht unaktiv. Mit Dir habe ich ja eh  einiges zu tun.
    Ich habe allerdings beim Release des letzten Albums im  Oktober 2015 gesagt, dass daswomöglich meine letzte Platte war.
    Das tue ich als Koketterie ab. Du bist meine Cash-Cow,  Dich lasse ich nicht sterben.
    Ich will ja nicht gleich sterben, sondern mich eventuell  nur aus dem täglichen Geschäftzurückziehen, aus diesem Zirkus.
     Zurück zu Frage:  Reizt es mich, wieder aktiv zu werden? Nein, eigentlich nicht. Ich fand die  heimische Musiklandschaft lange nicht so uninspiriert und langweilig wie  momentan.  Labels und  Agenturen präsentieren wöchentlich neue Schützlinge, die allesamt  weitgehendcharismalos, weiß und männlich sind. Neben ihren non-distinguishing  features ist dann auch noch fast allen gemein, dass sie im Grunde nichts zu  sagen haben. Kunst muss sich einmischen, Kunst muss seine Zeit reflektieren,  Kunst muss was erzählen, Kunst muss anstößig sein, sonst ist sie nur  Gefallsucht und Gegockel. Das interessiert mich nicht. Interessant ist  allerdings, dass das alles den Betroffenen selbst nicht aufzufallen scheint  bzw. ihnen offenbar recht wurscht ist.
    Wem genau ist was wurscht?
    Den Agenturen, den Bubenbands, den Festivals, die sie  buchen scheint es recht egal zu sein, dass die Männerquote auf heimischen  Bühnen fast bei 100% liegt.
    War das schon einmal besser?
    Die Quote war immer deutlich zugunsten der Burschen.  Aber Mitte der Nullerjahre hatte ich schon den Eindruck, dass sich die Frauen  vermehrt ihren Platz nehmen. Dem folgte dann der obligatorische Backlash, den  wir jetzt haben. Zwei Schritte nach vorne, drei zurück. Sieh Dir die großen  heimischen Festivals an: Fast ausschließlich Männer. Sieh Dir die Roster  heimischer Booking-Agenturen an: Fast alles Männer. Und dann lese ich, wie ein  Musiker - mein Alter! - auf Facebook schreibt, er sehe das Problem nicht.  Seriously?!
    
 
    Für heimische MuskerInnen gäbe es zu wenig Spielmöglichkeiten, so Clara Luzia
Aber was ist mit den Frauen aus den Nullerjahren  passiert? Ich meine, Asinellas Roster war sehr weiblich dominiert, was ist aus  denen geworden, wo sind die alle hin?
    Davon spreche ich. Es gab und gibt sie ja, die Frauen.  Das ist ja absurd so zu tun, als gebe es nun mal leider keine guten  Musikerinnen. Völliger Schas! Was aber zu beobachten ist, dass Frauen  tendenziell weniger Superlative verwenden, wenn sie von sich und ihrer Musik  sprechen. Damit scheinen Männer - tendenziell - weniger Probleme zu haben.
    Die normative Kraft des Faktischen also?
    Genau. Und ich glaube, diese Klaviatur bespielen Männer  - und ich bin da vorsichtig und sage hier sehr bewusst „tendenziell“ - besser  und öfter als Frauen.
    Ich habe einen Amadeus gewonnen, war vier weitere Male  nominiert, bin seit 10 Jahren aktiv auf den Bühnen Österreichs und Europas  unterwegs, wurde zu einer BBC-Session geladen, habe auf internationalen  Showcase-Festivals gespielt und wage erst seit kurzem laut zu sagen, ja, ich  bin eine gute Songschreiberin.
    Eben. Wieso?
    Weil es Millionen gibt, die wesentlich besser sind als  ich. Und weil das angreifbar macht. Ich höre dann sofort die zig Stimmen, die  sagen, „das bist Du nicht.“ Sage ich selbst gleich, dass ich nicht so toll bin,  erspare ich mir, es von anderen gesagt zu bekommen. Schutzmaßnahme.
    Aber damit machst Du Dich auch kleiner. Da sind wir  wieder bei der normativen Kraft des Faktischen. Wenn Du Dir - und denen da  draußen - sagst, Du seist eh nicht so gut, dann wird das auch so wahrgenommen.
    Oi! *Schweigen* Aber zurück zu Asinella Records: Kannst  Du von irgendwelchen reißerischen Tiefschlägen oder Höhepunkten in den letzten  10 Jahren berichten? Meilensteine der Labelgeschichte?
    Ein herber Tiefschlag passierte rund um einen meiner  erfolgreichsten Releases „The Ground Below“ 2009. Ich mag da gar nicht ins  Detail gehen, aber die Geschichte beinhaltet Anwälte, Drohungen, versuchte  Erpressung, einen Haufen Geld und ein offenbar sehr gekränktes Ego eines  Geschäftspartners. Das war sehr schiach, hat mich sehr enttäuscht und ich  kann’s bis jetzt nicht ganz fassen, was damals abgelaufen ist. Aber es ist  schon viel Superes passiert in den 10 Jahren. Bettina Köster - was für eine  Ehre, die am Label zu haben! 3 Clara-Luzia-Alben in den Charts. Die Buchveröffentlichung „Faces To The Sound.“
    Als Abschlussfrage der obligatorische Blick in die  Zukunft: Was wünscht Du Dir?
    Dass mich die Musik einer Künstlerin/Band wieder einmal  so begeistern kann, dass ich doch noch was außer Clara Luzia auf Asinella  Records rausbringe.
    Amen!
    
      www.claraluzia.com
      
    (13. Dezember 2016) 
    
      Fotos 
        Sarah Haas, Loucaz Steinherr
    
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    Clara Luzia, Singer-Songwriterin    
    
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